Hanseatische Haltung

An Selbstbewusstsein kann es Mathias Mulich wahrlich nicht gemangelt haben: In entspannter Haltung, mit Zweitagebart, tiefen Gesichtsfurchen und einer recht pro­minenten Nase lässt sich der Kaufmann – kostspielig in Pelz, Samt und ein Hemd mit aufwändiger Gold­­­stickerei gekleidet und mit Perlen am Barett – als erfolg­reicher Bürger dar­stellen, der Verbindungen in höchste gesellschaftliche Kreise hat. Mit dem durch Kaiser Friedrich III. verliehenen Wappen zeigt das Bildnis Mathias Mulich einerseits als reichen Händler von Luxusgütern wie beispielsweise Tüchern, Ge­würzen und Silbergeschirr, andererseits aber auch – durch ein kleines Veilchen in seiner linken Hand gekennzeichnet – durchaus als demütigen Menschen. Zuge­wandert aus Nürnberg, hatte Mulich 1514 die Lübecker Bürgerschaft erlangt, ein Jahr später wurde er in die exklusive Zirkelgesellschaft aufgenommen und heiratete die Tochter des Lübecker Bürgermeisters Hartwig von Stiten. Bald ge­hörten selbst die dänischen Könige zu Mulichs Schuldnern, bei seinem Tod im Jahre 1528 zählte der Kaufmann höchstwahrscheinlich zu den reichsten Bürgern der Hansestadt.

Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder gelang es den Lübecker Museen im Januar dieses Jahres auf einer Auktion in New York, das gegen 1520 entstan­dene Porträt des Kaufmanns Mathias Mulich von Jacob Claesz. van Utrecht für das St. Annen-Museum zu ersteigern. Bereits Ende 2011 war ein Werk des flämischen Malers – das Gavnø-Retabel – auch mit Unterstützung der Kultur­stiftung der Länder auf einer Auktion für Lübeck erworben worden. Nunmehr drei Werke des Künstlers befinden sich damit in den Sammlungen der Museen.

Auch der von Mulich beauftragte Maler des kleinen Porträts war in die Hansestadt zugewandert; 1515 aus den Niederlanden kommend, verschaffte sich Jacob Claesz. van Utrecht recht schnell gute Kontakte in der von Künstlern stark bevölkerten Stadt. Bereits 1518 war er in die Leonhardsbruderschaft aufgenommen worden und hatte etliche lukrative Aufträge innerhalb der Gruppe der süddeutschen Kauf­leute ergattert. So etablierte sich seine kleine Werkstatt rasch in Lübeck. Die Por­trätma­lerei war im frühen 16. Jahrhundert so gut wie unbekannt in der Hansestadt, sodass die zugereisten Händler und Künstler zu Pionieren der Kunst­gattung wurden. Jacob Claesz. gehörte zu den Antwerpener Manieristen, bei seinem Bildnis des Mathias Mulich lassen sich frappante Ähnlichkeiten zu einem Porträt Kaiser Maximilians aus der Hand Albrecht Dürers feststellen. Diese damals weit ver­brei­tete Darstellung des Monarchen dürfte Mulich als gebürtigem Nürnberger bekannt gewesen sein. Selbst­be­wusst ließ er wohl seinen Maler an diesen bekannten Holz­schnitt anknüpfen – der ungewöhnliche Bezug auf allerhöchste Kreise macht das Bildnis des Kaufmanns Mulich zumindest in der Lübecker Darstellungs­tradition dieser Zeit singulär.