Der Wiener Hofmaler

„Der Erwerb ist für die Sammlung des Museums von großer kunsthistorischer Bedeutung: Anhand dieses Gemäldes gelang es erstmalig, Bernhard Strigel als Maler nachzuweisen. 1880 entdeckte der Kunsthistoriker Wilhelm von Bode die Inschrift auf der Rückseite, die nicht nur Auskunft gibt über den Künstler, sondern auch über seine Rolle am Wiener Hof und die Entstehung dieses Bildes. Mit dem Erwerb sichert sich das Museum den Grundstein der heutigen Strigel-Forschung“, so Prof. Dr. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Bernhard Strigel, Johannes Cuspinian und seine Familie, 1520, Öl auf Lindenholz, 70,7 × 60,0 cm; Strigel-Museum Memmingen; © Strigel-Museum Memmingen
Bernhard Strigel, Johannes Cuspinian und seine Familie, 1520, Öl auf Lindenholz, 70,7 × 60,0 cm; Strigel-Museum Memmingen; © Strigel-Museum Memmingen

Das Auktionshaus Sotheby’s hatte im Juli 2018 Strigels Gemälde erfolglos zur Versteigerung angeboten. Schließlich bemühte sich das Strigel-Museum um den Erwerb. Es dokumentiert mit seiner Sammlung die rund einhundertjährige Tradition der Memminger Strigel-Werkstatt und das Wirken der Memminger Künstlerfamilie. Mit dem Erwerb des Gemäldes kann Strigels Portraitmalerei erstmals an einem Original im Strigel-Museum gezeigt werden.

Das Werk zeigt den Wiener Humanisten Johannes Cuspinian, seine zweite Frau Agnes Stainer und seine Söhne aus erster Ehe, Sebastian Felix und Nicolaus Chrysostomus. Lateinische Schriftzüge über den Köpfen bezeichnen Cuspinian als Zebedäus mit seiner Frau Maria Salome und den Söhnen Jacobus und Johannes, den Jüngern Jesu. Eine herabhängende Tafel mahnt zudem: „Söhne, verehrt Gott, erlernt Klugheit, haltet die Ehre hoch.“ Auf der Rückseite befindet sich eine ausführliche Inschrift. Sie erklärt, dass Strigel als fast Sechzigjähriger das Bild mit der linken Hand und mithilfe einer Brille anfertigte. Die Inschrift benennt ihn als einzigen Maler, der den Kaiser Maximilian I. portraitieren durfte.

Der abgebildete Cuspinian wurde 1473 in Schweinfurt geboren. 1492 kam er nach Wien, promovierte und machte sich einen Namen als Poet. Als kaiserlicher Diplomat Maximilians I. gewann er großen politischen Einfluss. Für Verhandlungen reiste er innerhalb von fünf Jahren 24-mal nach Ungarn. Ziel seiner Reisen war es, eine Verbindung zwischen der Habsburger Monarchie und dem ungarisch-jagellonischen Haus herzustellen. Seine Bemühungen zahlten sich aus: Im Wiener Stephansdom beschlossen die Regenten 1515 die Hochzeiten zweier Enkelkinder Kaiser Maximilians I. mit zwei Kindern König Wladislaws II.

Fünf Jahre nach der Doppelhochzeit vollendete Strigel das Familienbild Cuspinians. Ursprünglich war es der rechte Flügel eines Diptychons; der linke zeigt die Familie Maximilians I. und wird heute im Kunsthistorischen Museum in Wien ausgestellt. Das Diptychon erinnert an das historische Ereignis der Doppelhochzeit. Unklar ist, wer das zweiteilige Gemälde in Auftrag gab. Eine Theorie besagt, dass das Familienbild Maximilians im kaiserlichen Auftrag gefertigt wurde und als Geschenk an Cuspinian ging. Dieser ließ es durch Strigel ergänzen. Auch möglich ist, dass das Diptychon 1520 auf Bestellung Cuspinians gefertigt wurde und in seiner Hauskapelle angebracht wurde. Die Gemälde unterstreichen Cuspinians Rolle am kaiserlichen Hof und seine Mitwirkung an der Doppelhochzeit.

Weitere Förderer dieser Erwerbung: Ernst von Siemens Kunststiftung, Sparkassenstiftung Memmingen-Mindelheim