Geritzter Sommer
„In den Räumen, in denen sonst die Orangenbäume von Sanssouci über den wohlgeheizten Winter hinüberträumen, ist eine Ausstellung entstanden, die weitaus die beste und sinnvollste dieses Sommers im ganzen Umkreis von Berlin ist”, schwärmte 1921 der Kritiker Paul Fechter, und Heinrich Vogeler berichtete im Berliner Tageblatt von der schönsten Kunstausstellung, „die wir seit Jahren in diesem chaotischen Dasein zu sehen bekommen haben”. Der aufstrebende Berliner Kunsthändler und Verleger Ferdinand Möller hatte die aufsehenerregende Ausstellung (die bis 1925 noch drei weitere Auflagen erleben sollte) u. a. zusammen mit dem Potsdamer Bürgermeister Rauscher initiiert, sie zeigte die traditionelle Kunst des 19. Jahrhunderts erstmalig zusammen mit Meisterwerken des noch jungen Expressionismus. Rund 350 Werke von Adolf Menzel bis Max Liebermann, von Louis Tuaillon bis Wilhelm Lehmbruck, von Ernst Ludwig Kirchner bis Hans Purrmann demonstrierten die innere Verwandtschaft der sonst so unterschiedlich erscheinenden Kunst. Vermutlich über Ferdinand Möller erhielt der Expressionist Otto Mueller (1874–1930), ehemaliges Mitglied der 1913 aufgelösten Künstlergruppe „Brücke“, den Auftrag für das Ausstellungsplakat, gleichzeitig steuerte er auch eine Werkauswahl für den „Potsdamer Kunstsommer“ bei.
Das Potsdam Museum konnte jetzt den seltenen Druckstock (95,5 x 69,5 cm) zum ersten Ausstellungsplakat Otto Muellers von 1921 und ein zugehöriges Plakat aus dem Münchner Kunsthandel mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, des Potsdamer Kunstvereins e.V. und privater Spender erwerben und seine Sammlung damit um zwei wichtige Exponate zur klassischen Moderne erweitern.
Für das Plakat wählte Otto Mueller die Technik des Holzschnitts, um sein Motiv, einen sitzenden weiblichen Akt, in expressivem Hell-Dunkel-Kontrast erscheinen zu lassen. Von den wenigen Holzschnitten, die der Brücke-Künstler schuf, existieren heute nur noch drei Druckstöcke. „Die Neuerwerbung ermöglicht dem Museum künftig, die zentrale Potsdamer Ausstellung zur klassischen Moderne angemessen darstellen und mit Ausstellungsvorhaben thematisch verbinden zu können“, sagte Museumsdirektorin Dr. Jutta Götzmann.
In der Ausstellung „Von Otto Mueller bis Max Kaus – Graphische Einzeldrucke und Mappenwerke aus dem Ferdinand Möller Verlag“, die im Museumshaus in der Benkertstraße 3 bis zum 16. Januar 2011 zu sehen ist, werden erstmalig beide Neuerwerbungen der Öffentlichkeit präsentiert.