„Alte Sachsen“ – Neue Fakten
Moderne Forschungsergebnisse belegen: Einen alten germanischen Stamm, der während der Völkerwanderungszeit das Land zwischen Harz und Nordsee in Besitz nahm, eine quasidemokratische Gesellschaft bildete und zur gleichen Zeit England eroberte, hat es so nicht gegeben. Der Begriff Sachsen taucht zunächst nur als Synonym für Piraten und Plünderer in schriftlichen römischen Quellen auf. Erst zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert, in der Konfrontation mit den Karolingern, beginnt sich in Norddeutschland eine sächsische Identität zu formen. Die Ausstellung „Saxones – Eine neue Geschichte der alten Sachsen“ enttarnt die „Alten Sachsen“ als romantisch verklärten, nationalistischen Mythos der zwischen 1800 und 1950 entstand. Anhand einer Fülle von archäologischen Funden und neuen Erkenntnissen erklärt die Ausstellung, warum und wie es zu dieser Mythenbildung kam.
Folgt man dem Mythos, so sollen sich die Niedersachsen schon in der Varusschlacht vor 2000 Jahren als „alte Sachsen“ fremden Herrschern widersetzt haben. Tatsächlich aber, so belegen Forschungsergebnisse, bestand der Raum zwischen Nordsee und Harz aus verschiedenen Regionen, deren Bewohner in verschiedenen, überregionalen Bezugssystemen vernetzt waren. Zudem entgegnet die Geschichtsforschung der Vorstellung, diese Menschen hätten einen quasidemokratischen Staat aufgebaut. Es zeigt sich vielmehr, dass auch hier zentrale Herrscherfiguren agierten.
In lebensgroßer, szenischer Darstellung dient das Schicksal von neun ausgewählten, historischen Persönlichkeiten aus dem 1. bis 10. Jahrhundert als personalisierter Leitfaden, der Erkenntnisse aus Archäologie und Geschichtsforschung allgemeinverständlich vermittelt. Die Exponate stammen zum größten Teil aus den Landesmuseen Hannover und Braunschweig oder sind Leihgaben aus internationalen Museen. Insgesamt zeigt die Ausstellung 850 Objekte, darunter Grabbeigaben, wie Schmuck und Waffen, aber auch Schatzfunde, liturgische Geräte und Handschriften. Die Verzierungen und Motive dieser Objekte versteht die Ausstellung als Codes, die zur Identitätsstiftung beitragen und als diese in der Ausstellung sichtbar gemacht und erklärt werden.
Die Schau widmet sich einem gesellschaftlich hochaktuellen Thema – Identität und Mythen, wer sind „wir“ und warum? Der Sachsen-Mythos ist über Niedersachsen hinaus identitätsstiftend. So richtet sich die Ausstellung nicht nur an Menschen aus Niedersachsen, Westfalen und angrenzende Regionen sondern ebenso an Menschen mit anderen sächsischen Identitäten wie die heutigen Sachsen oder Briten. Die Landesausstellung steht unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Ministerpräsidenten.
Weitere Förderer: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Stiftung Niedersachsen, Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz