In gesellschaftlich polarisierten, herausfordernden Zeiten können öffentlich geförderte Kultureinrichtungen Halt, Orientierung und produktive bis ermutigende Anknüpfungspunkte für individuelle sowie kollektive Suchbewegungen bieten. Museen tragen hierbei eine besondere Verantwortung, denn sie genießen in Deutschland anhaltend ein unerschütterlich großes Vertrauen in der Bevölkerung – gar das höchste Vertrauen nach Familie und Freunden und vor Wissenschaftlern und Medien, wie eine im letzten Jahr veröffentlichte bevölkerungs-repräsentative Studie des Instituts für Museumsforschung feststellte. Neben ihren traditionellen Aufgaben des Sammelns, Bewahrens, Forschens, Ausstellens und Vermittelns können Museen demzufolge als „Institutionen des gesellschaftlichen Lagerfeuers“ angesehen werden, in welchen Werte und Zusammenhalt einer pluralen Gesellschaft in geschützten Reflexionsräumen ausgehandelt und erlebt werden können. Museen bieten alternative Möglichkeiten des In-der-Welt-Seins, die dazu beitragen könnten, an hoffnungsvolleren Zukunftsaussichten mitzuwirken. Gerade die verschiedenen künstlerischen wie kulturellen Ausdrucksformen, mit denen sich Menschen in Museen auseinandersetzen – seien sie überraschend, irritierend oder begeisternd – bieten Anlässe zur konstruktiven Verhandlung und Vermittlung dessen, was unsere Gesellschaft bewegt, herausfordert, eint und verbindet.
Um dieses große Potenzial ausschöpfen zu können, müssen jedoch einige Grundsätze als gültig anerkannt und umgesetzt werden, damit nicht nur jeder Mensch sich in öffentlichen Kultureinrichtungen willkommen, adressiert und berücksichtigt fühlt, sondern Ausgrenzungen und (reproduzierten) Diskriminierungen jeglicher Art aktiv vorgebeugt wird. Um die gesellschaftliche Vielfalt in allen Bereichen der deutschen Museen, in Personal, Programm und Publikum widerzuspiegeln, benötigt es daher behutsam begleitete institutionelle Wandlungs- und -Öffnungsprozesse, ohne dabei naturgemäß konservative Bestrebungen der Bewahrung und Tradierung des historisch gewachsenen kulturellen Erbes zu konterkarieren oder zu delegitimieren. Entscheidend dafür ist ein Verständnis von Kulturerbe nicht (nur) als statisches, sondern als dynamisches und sich ständig weiterentwickelndes.
Wie können Museen dabei unterstützt werden, diesen vielfältigen Aufgaben und Verantwortungen nachzukommen? Wie können sie sich gemäß ihrer eigenen Kompetenzen bei teilweise knapper werdenden Ressourcen für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts einbringen?
Im Pilotprojekt MitbeStimmungsorte (2022–2023), das ausgehend von einem Auftrag der Kulturministerkonferenz entstand, um Strategien für mehr gesellschaftliche Teilhabe am Museum zu entwickeln, unterstützte die Kulturstiftung der Länder bereits 22 Museen in ganz Deutschland dabei, ihr -Publikum zu diversifizieren und individuelle teilhabe- und -diversitätsorientierte Projekte und Transformationsvorhaben durchzuführen. Beteiligt waren dabei Häuser unterschied-licher Größe und heterogener Ausrichtung. Die Vorhaben reichten von der Gründung von Publikumsbeiräten oder eines „Optimist:innen-Netzwerks“ über App-Entwicklungen und Kooperationen mit städtischen Organisationen wie Volkshochschulen oder Diakonien mit dem Ziel, neue Publika anzusprechen. Im Rahmen eines weiteren Pilotprojekts, „Neues Sammeln“ (2023–2024), konnten wertvolle Impulse gewonnen werden zur kritischen Beleuchtung von Sammlungsstrategien unter diversitätssensiblen Gesichtspunkten in einer (post-)migrantischen Gesellschaft. Die geförderten Museen organisierten beispielsweise Arbeitstreffen mit Communitys und „Critical Friends“, in welchen die gängige Praxis des Sammelns und Kuratierens der Sammlungen kritisch befragt und konkrete Veränderungsmaßnahmen abgeleitet wurden. Alle Vorhaben verfolgten das Ziel, neue Stimmen und Positionen einzubeziehen, die zwar seit vielen Jahrzehnten in der deutschen Gesellschaft und im lokalen Umfeld der Museen, nicht aber in deren Sammlungen und Archiven vertreten sind.
Die Ergebnisse und Erfahrungen aus diesen beiden Modellprojekten zeigen deutlich: Damit Museen ihren vielseitigen -Aufgaben auch in Zukunft gerecht werden und als Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts wirken können, braucht es längerfristig angelegte Programme, die deren diversitätsorientierte institutionelle Weiterentwicklung in einem ganzheitlichen Sinne denken und begleiten. Viele Museen befassen sich seit Jahrzehnten mit solchen Prozessen und den damit verbundenen Herausforderungen, doch für eine nachhaltige Implementierung des Erprobten bedarf es struktureller Verankerungsmöglichkeiten sowie zeitlicher und finanzieller Ressourcen, damit sie sich kontinuierlich selbstkritisch befragen und als Institution weiterentwickeln können. Diesen Bedarfen Folge tragend, hat der Stiftungsrat der Kulturstiftung der Länder im Sommer 2024 „PRISMA – Programm zur Stärkung der Diversität und kulturellen Teilhabe an Museen“ beschlossen, das Museen in den nächsten fünf Jahren mit einem Gesamtbudget von 2.500.000 Euro bei umfassenden Prozessen der diversitäts-orientierten Organisationsentwicklung unterstützt. Neben den Methoden und Formaten der Vermittlungsarbeit an Museen werden auch organisatorische und personelle Strukturen sowie Sammlungs-bestände und Programmgestaltung intensiv beleuchtet und kritisch hinterfragt.
Am Programm teilnehmen können öffentlich geförderte -Museen in Deutschland, die bereits erste Schritte in eigenen Organisationsentwicklungsprozessen gegangen sind und sich für ihre weiteren Vorhaben und aktuellen Herausforderungen Unterstützung und Begleitung durch spezialisierte Experten und Expertinnen wünschen. Das Programm umfasst vier synergetische, inhaltlich ineinander verschränkte Formate, die auf eine nachhaltige Verankerung der erworbenen Wissens-inhalte und Kompetenzen innerhalb der Museen abzielen. Vier aufeinander aufbauende Werkstätten bieten die Möglichkeit eines vertieften Wissenserwerbs zu diversitätsorientierten Organisationsentwicklungsprozessen in Museen und deren Strategien. Im Sinne eines Community Building können Museen mit ähnlichen Herausforderungen sich hierbei Peer-to-Peer vernetzen und erhalten parallel in individuellen Beratungseinheiten von externen Beratern und Beraterinnen Unterstützung für spezifische Fragestellungen, bedarfsorientierte Lösungen und Implementierungen. Eine begleitende Konferenzreihe (die erste Ausgabe findet im Herbst 2026 statt) knüpft inhaltlich an die Themen der Programmelemente an mit dem Ziel eines interkulturellen Erfahrungs- und Wissensaustauschs auf internationaler Ebene. Sie widmet sich zusätzlich grundsätzlichen Fragen zur Zukunft des Museums, seinen Sammlungen und aktuellen (westlichen) Ausstellungspraxen. Wie sollten die Museen der Zukunft aussehen? Was benötigen sie hierfür und auf welche Unterstützung sind sie dabei angewiesen? Wie -können Kulturinstitutionen stärker in Kollaborationen denken und arbeiten und im internationalen Austausch voneinander lernen?
Bewerbungen für Museen sind ab Herbst 2025 möglich.