Verlorenes Spanien
In seinem Heimatland ist er ein Heiliger: der Maler Joaquín Sorolla (1863 –1923). Kein anderer Künstler hat das Licht der iberischen Halbinsel so einzigartig eingefangen wie dieser Impressionist. Der Wind in den Segeln der Fischerboote, die tiefstehende Sonne auf der nassen Haut von badenden Kindern, die wehenden, weißen Gewänder ihrer Mütter: Sorollas Gemälde berühren die spanische Seele – und nicht nur diese – so tief wie die von Caspar David Friedrich die deutsche.
Als Sorollas monumentaler Zyklus „Vision of Spain“ aus der Hispanic Society of America in New York restauriert wurde und anschließend 2007 auf Ausstellungstournee durch Spanien ging, geriet das Land in einen regelrechten Sorolla-Taumel. Ein eigener Jumbojet war gechartert worden, um die riesigen Gemälde sicher in das Heimatland ihres Schöpfers zurückzubringen, wo sie einen Triumphzug durch sieben Städte erlebten. Rund zwei Millionen Menschen bestaunten Sorollas berühmtes Spätwerk, das der Maler im Jahr vor seinem Tod nach Amerika geschickt hatte. Mit den „Valencianischen Fischern“und dem „Strand von Valencia“ besaß auch die Nationalgalerie zwei Gemälde dieses Künstlers, erworben 1896 und 1902. Die Nationalgalerie, dieser Tempel der deutschen Kunst, wo Liebermann und Menzel, Böcklin und Schinkel, Blechen und Friedrich die Hausheiligen sind? Ja, eben diese Nationalgalerie hat von Anfang an mit großem Weitblick auch internationale Kunst gesammelt: türkische, schwedische, belgische, englische, amerikanische und natürlich französische Gemälde, von denen Manets „Wintergarten“ heute das berühmteste ist.
Gegen große Widerstände hatte der legendäre Direktor Hugo von Tschudi um 1900 die Moderne durchgesetzt. Doch 1930 verkaufte man die beiden Sorollas wieder, wenn auch aus vermeintlich edlem Grund: War doch das Interesse an dem Maler vorübergehend abgeebbt, so wollte man das Geld für Besseres verwenden: ein Gemälde von van Gogh, das „Liebespaar“. Und was geschah? Nur sieben Jahre später wurde dieses Bild als „entartet“ konfisziert. So war der van Gogh verloren und die Sorollas auch.
Heute werden der Spanier wie der Niederländer in der Alten Nationalgalerie sehr vermisst. Und das umso schmerzlicher, als die „Fischer“ im November 2012 bei einer Auktion in New York wieder aufgetaucht sind, um für 4,5 Millionen Euro verkauft zu werden – Weltrekordpreis, unerreichbar für die Nationalgalerie. Museen sollen keine Kunstwerke verkaufen. Kunstgeschichte ändert sich, und jede Generation entscheidet neu, was für sie wichtig ist. Was so gründlich verloren ist, bekommt man selten zurück.