Schmückende Erinnerung

Das Kunsthistorische Museum Zittau gehört zu den ältesten öffentlichen Sammlungen Mitteleuropas. Die Anfänge seiner Bestände reichen ins 16. Jahrhundert zurück, 1709 erhielt die Kunst- und Wunderkammer der Zittauer Ratsbibliothek einen eigenen Ausstellungsraum im ehemaligen Franziskanerkloster mit der Kirche zum Heiligen Kreuz. 1854 kam es zur formellen Museumsgründung. Mittlerweile umfasst die Sammlung mehr als 40.000 Objekte zur Regionalgeschichte und Volkskunde. Einzigartig sind die beiden Zittauer Fastentücher von 1472 und 1573, die in der Fastenzeit Chorraum und Gemeinderaum der ehemaligen Hauptkirche St. Johannis voneinander abtrennten.

Historische Aufnahme der Chorwand in der Zittauer Franziskanerkirche mit den Epitaphien für Georg Schnitter aus dem Jahr 1662, Mitte, sowie für Johann Christian Meyer (1653 –1709) und eine Frau aus den Jahren 1690/1709, Mitte rechts; © Städtische Museen Zittau
Historische Aufnahme der Chorwand in der Zittauer Franziskanerkirche mit den Epitaphien für Georg Schnitter aus dem Jahr 1662, Mitte, sowie für Johann Christian Meyer (1653 –1709) und eine Frau aus den Jahren 1690/1709, Mitte rechts; © Städtische Museen Zittau

Auch in der Kirche des Franziskanerklosters, in dem das Zittauer Museum untergebracht ist, sind die beiden Bauteile klar voneinander geschieden, und zwar durch eine Glaswand: Während der ehemalige Chorbereich weiterhin der Kirchengemeinde zur Verfügung steht, wird das Langhaus derzeit im Rahmen der Lutherdekade zu einem musealen Ausstellungsraum ertüchtigt. Es wird den sogenannten Zittauer Epitaphienschatz zeigen. Epitaphien sind kunstvoll mit Malereien und Schnitzwerk verzierte Gedächtnismale. Prominent an Kirchenwänden und Pfeilern platziert, sollten sie die Erinnerung an die Toten wachhalten und die Überlebenden zum andachtsvollen Gedenken animieren. Das Zittauer Museum kann sich rund achtzig solcher Epitaphien aus der Zeit zwischen dem frühen 16. und dem mittleren 18. Jahrhundert rühmen.

Nachdem sie seit dem 19. Jahrhundert in Vergessenheit geraten waren, wurden sie 2002 anlässlich eines Aus­stellungsprojekts wiederentdeckt. Einige Jahre später fasste man den Plan, sie systematisch zu restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So können im Rahmen der Ausstellung „Ganz anders. Reformation in der Oberlausitz“ ab Ende Juli bereits 40 bis 50 restaurierte Epitaphien gezeigt werden. Da viele der Personen, deren Gedächtnis die Tafeln bewahren sollten, oftmals eng mit der Reformation bzw. der reformierten Religion in der Oberlausitz verbunden waren, fügen sich ihre Gedächtnismale trefflich ins Ausstellungskonzept.

Es liegt auf der Hand, dass ein derart ehrgeiziges Unterfangen wie die Restaurierung des Zittauer Epitaphienschatzes nicht ohne das Zusammenwirken mehrerer Förderer verwirklicht werden konnte. Sowohl der Bund als auch der Freistaat Sachsen stellten deshalb mehr als eine halbe Million Euro zur Verfügung, Spenden wurden gesammelt. Und aus dem Bündnis „Kunst auf Lager“ hat sich der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder gern an dem Projekt beteiligt. Dank seiner Unterstützung konnten zwei Epitaphien in einen ausstellungsfähigen Zustand versetzt werden.

Georg Schnitter ließ 1662 an der Nordwand der Kirche zum Heiligen Kreuz „zum stetten andencken“ an seine Eltern (deren eigenes Epitaph in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verbrannt war) und an sich selbst, aber „auch der Kirchen zur Zierath“, ein Epitaph anbringen, das in Wort und Bild die Themen „Auferstehung“ und „Jüngstes Gericht“ aufgreift. Das 3,8 Meter hohe und 2,6 Meter breite Werk war in mehr als 15 Einzelteile zerlegt eingelagert. Gerahmte Schrifttafeln, gedrehte Säulen, seitliche Zierschnitzereien, skulpturengeschmückter Aufsatz, Bild­tafeln mit der Darstellung der Familie des Stifters und der Auferstehung Christi konnten dadurch zunächst separat gereinigt und ergänzt und sodann zum ersten Mal nach langer Zeit wieder zusammenmontiert werden. Der Anspruch des Auftraggebers zeigte sich nicht nur im Format, sondern auch in der Wahl des Bildmotivs der Auferstehung: Sie nahm sich – vermittelt durch einen Kupferstich – Tintorettos gleichnamiges Werk in der Scuola di San Rocco in Venedig zum Vorbild.

Bildtafel „Auferstehung Christi“ des Epitaphs für Georg Schnitter; © Städtische Museen Zittau / Foto: Arne Mai
Bildtafel „Auferstehung Christi“ des Epitaphs für Georg Schnitter; © Städtische Museen Zittau / Foto: Arne Mai

Johann Christian Meyer (1653 – 1709) war Stadtrichter und königlicher Rat und damit zwar eine der führenden Zittauer Persönlichkeiten seiner Zeit, doch gleichzeitig nicht sehr beliebt, da er bei der Eintreibung der Steuer streng verfuhr. Bald ging die Mär, dass er nach seinem Tod keine Ruhe finden könne, was ihm den Eingang in die lokale Sagenwelt sicherte. In der Kirche, die auch sein Grab aufnahm, ließ er ein Epitaph für seine 1690 verstorbene erste Frau anbringen. Die querovale Inschrifttafel erinnert an die fünffache Mutter und eine „vergnügt geführte Ehe“, während das Gemälde darunter mit dem Thema „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ gleichsam den biblischen Kommentar zu der kinderreichen Verbindung liefert: Meyers erste, aber auch seine zweite Ehepartnerin bringen Christus ihre verstorbenen Kinder dar. Das Rahmenwerk mit geschnitzten Palm- und Akanthusblättern, in die Spruch­bänder eingeflochten sind, weist auf Fruchtbarkeit hin. Unterhalb der Grundkonsole, auf der sich ein Putto erhebt, ist ein geschnitztes Tuch angebracht, auf dem des 1709 verstorbenen Würden­trägers gedacht wird.

Die Zittauer Epitaphien sind, was Kunst-, Frömmigkeits- und Kulturgeschichte betrifft, ein wahrhafter Schatz, und der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder freut sich, dass er an seinem Erhalt mitwirken konnte