Reiterkampf auf der Hochzeitstruhe

Als der pensionierte gothaische und sächsische Minister Bernhard August von Lindenau (1779 –1854) 1843/44 damit begann, eine Sammlung früher italienischer Gemälde aufzubauen, bediente er sich bei seinen Ankäufen der Dienste von Agenten. Sein wichtigster Berater und Vermittler in Rom war Emil Braun, Erster Sekretär des Instituto di Corrispondenza Archeologica, des späteren Deutschen Archäologischen Instituts. 1845 erwarb er für Lindenau ein Tafelgemälde, das dieser Tage seine Auferstehung erlebte.

Das Stück, das Braun nach Deutschland sandte, gab als gerahmtes Bild zwar vor, ein autonomes Kunstwerk zu sein, in Wirklichkeit handelte es sich jedoch um eine Tafel aus einem cassone, einer Hochzeitstruhe. Dies legten sowohl das Format als auch das Sujet nahe: Die in die Fronten der Truhen eingelassenen querformatigen Gemälde griffen meist profane Themen auf, besonders beliebt waren Schlachtendarstellungen.

Gherardo di Jacopo, gen. Gherardo Starnina, Kampf orientalischer Reiter, um 1400 –1405, 54,7 × 113 cm; Lindenau-Museum Altenburg; © Foto: PUNCTUM / Bertram Kober
Gherardo di Jacopo, gen. Gherardo Starnina, Kampf orientalischer Reiter, um 1400 –1405, 54,7 × 113 cm; Lindenau-Museum Altenburg; © Foto: PUNCTUM / Bertram Kober

Cassoni blieben die bestimmenden Möbelstücke der Renaissance, denn Schränke setzten sich nur langsam durch. Sie wurden zum repräsentativen Gehäuse der Aussteuer adliger oder patrizischer Bräute, so dass die cassoni bei Hochzeiten eine besondere Rolle spielten und zu den am aufwändigsten dekorierten Möbelstücken der Zeit wurden. Für die Gemälde, die ihre Schauseiten zierten, nahm man bekannte Künstler unter Vertrag.

Die Altenburger Tafel konnten Kunsthistoriker erst in den 1970er-Jahren einem Künstler zuweisen: Sie gilt seither als ein Werk des Florentiner Malers Gherardo Starnina, der von 1387 bis 1413 dokumentarisch greifbar ist und nachweislich einige Jahre in Toledo und Valencia gelebt hat. Giorgio Vasari (1511–1574) hebt in der Lebensbeschreibung Starninas in seinen „Viten“ (1550) ausdrücklich hervor, er habe gewisse Kostüme wiedergegeben, die damals in Spanien getragen wurden, und besonders die Körperhaltungen seiner Figuren in großer Vielfalt erfasst. Das Altenburger Gemälde scheint dies zu belegen: In seinem orientalischen Reiterkampf (Die Schlacht von Ankara um 1402? Ein spanisches Kostüm-Turnier?) zeigt der Maler maurische Trachten, denen er in Spanien noch begegnet sein konnte. Und das Kampfgeschehen eröffnete ihm die Möglichkeit, Männerkörper und Pferde in den unterschiedlichsten Bewegungsabläufen und Ansichten wiederzugeben.

Natürlich erkannte man, dass das zwischen 1400 und 1405 entstandene Werk Starninas in keinem guten Zustand war und dringend einer Restaurierung bedurfte. Doch die Zeiten erlaubten keine eingehende Untersuchung, geschweige denn Behandlung des Gemäldes. Erst 2014 wurden Schritte eingeleitet, um die Altenburger Tafel schrittweise in einen präsentablen Zustand zurückzuführen. Immer wieder war sie über die Zeiten hinweg ausgebessert, repariert, nie jedoch einer umfassenden Restaurierung unterzogen worden.

Der Grund für die aus verschiedenen Zeitlagen stammenden Eingriffe in die Substanz ist der spezielle Charakter der cassoni. Ihre Tafeln litten mehr als andere Kunstwerke, weil sie trotz ihrer kunst­historischen Bedeutung ein wenn auch wertvoller Teil von Gebrauchsmöbeln waren. Gerade ihre Frontseiten waren aufgrund der Bodennähe vielerlei me­chanischen Einwirkungen ausgesetzt: Mantelsäume, Stiefelschäfte, Schuhspitzen sorgten im Vorübergehen für einen allmählichen Abrieb der Maloberfläche, Haustiere und Kinder kamen den Bildern quasi auf Augenhöhe bedenklich nahe, gelegentlich wird man die Truhen auch als Sitzfläche verwendet haben, so dass Fersen die Bildfläche berührten, und jeder Transport hinterließ Spuren der Abnutzung.

Zudem war die Tafel zu einem un­bekannten Zeitpunkt aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst worden: Als man den beschädigten, außer Mode geratenen oder für den Kunstmarkt uninteressant gewordenen cassone „entsorgte“, verwandelte man sein Hauptbild in ein autonomes Gemälde. Es erhielt einen leistenverzierten Rahmen, unter dem während der Restaurierung der ursprüngliche Zustand zum Vorschein kam. Um es für den zeitge­nössischen Gemäldemarkt attraktiv zu machen, hat man vermutlich die Bild­fläche mittels eines Firnis in den Galerieton des 19. Jahrhunderts getaucht. Irgendwann wurden Fehlstellen retuschiert (mit Farben, die sich vom alten Bestand allzu deutlich absetzten), bestimmte Zonen großflächig übermalt. Auf all diese Eingriffe stieß man bei den Voruntersuchungen. Studierende an der Hochschule für Bildende Künste Dresden wurden von Restaurator Johannes Schaefer in das Projekt geholt, um zunächst den technischen Aufbau der Starnina-Tafel nachzuvollziehen. Erst dann erfolgten die notwendigen Arbeitsschritte, bei denen Retuschen und Ergänzungen sorgfältig abgewogen wurden.

Die Ergebnisse der Restaurierung, die vom Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder gern und großzügig unterstützt wurde, standen im Rahmen eines Symposiums in Altenburg zur Diskussion. Es zeigte sich, dass die Würdigung der Tafel nun in angemessener Weise erfolgen kann und die Forschung zu Starnina von dem Ergebnis profitiert.