Prinzessin mit Statussymbolen
„Ist nicht die Menge der fürstlichen Höfe ein herrliches Mittel dadurch sich soviel Leute hervor thun können, so sonst im Staube liegen müsten?“ Diese rhetorische Frage stellte Gottfried Wilhelm Leibniz 1683 in seiner „Ermahnung an die Teutsch[n]“. Der große Universalgelehrte hatte den Wesenskern des Alten Reiches scharfsinnig erfasst und ins Positive gewendet. Souverän erkannte er das kulturelle Potenzial der später despektierlich „Kleinstaaten“ oder „Duodezfürstentümer“ genannten Territorien. Tatsächlich befanden sich die vielfältigen Glieder des Reichs, die weltlichen und geistlichen Fürsten, die katholischen und protestantischen Stände, die Reichs- und Hansestädte, in einem kontinuierlichen Wettstreit. Vom Herzog bis hinunter zum Grafen und zur Fürstäbtissin bemühten sich alle Machthaber, ihre Position durch die Zurschaustellung von Prunk und Luxus zu legitimieren und zu stärken. Folgerichtig florierte nicht nur die Baukunst, sondern auch die Luxusindustrie – Möbelkunst, Porträtmalerei, Textilkunst, Gold- und Silberschmiedekunst, Porzellanmanufakturen. Letztlich spiegelt die Vielfalt der heutigen Museums-, Theater- und Opernlandschaft Deutschlands noch immer die Verhältnisse vor dem Ende der Monarchien.
Das Porträt, das dank der Förderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder restauriert werden konnte, veranschaulicht das Gesagte auf schönste Weise. Es befindet sich im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, geht aber als Dauerleihgabe nach Schloss Weißenfels. Denn es entstand für einen jüngeren Zweig der sächsischen Wettiner, der durch August, den protestantischen Administrator des Erzstiftes Magdeburg, begründet wurde und zunächst in Halle residierte, bis 1694 das Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels bezugsfertig war. Das Residenzleben in Halle geriet danach weitgehend in Vergessenheit. Die dargestellte Prinzessin könnte Augusts Tochter Katharina sein, die 1663 mit noch nicht einmal acht Jahren verstarb. Auf jeden Fall entstand das Gemälde für die Hofhaltung in Halle, die in der dortigen ehemals erzbischöflichen Residenz untergebracht war. Es wurde beim Umzug nach Weißenfels sicherlich mitgeführt, zumal sein Erinnerungswert aufgrund des frühen Todes der Dargestellten sehr hoch war.
Der Maler, dessen Identität noch umstritten ist, erfasste die Züge der zarten Prinzessin mit den großen Augen, dem kleinen roten Mund und dem an den Seiten locker herabfallenden Haar mit einfühlsamen Pinselstrichen. Doch auch wenn uns hier ein kindliches Individuum entgegen tritt, wird gleichzeitig unmissverständlich die Angehörige eines alten Fürstengeschlechts inszeniert. Das verdeutlicht der äußere Apparat, in den das Konterfei eingefügt wurde, ohne auch nur ein einziges architektonisches Versatzstück zu verwenden: Bunte, von einer edelsteinbesetzten Agraffe gehaltene Bänder im Haar, eine delikat gegebene zweireihige Perlenkette, die üppige Brosche auf der Brust dienen der Repräsentation am Körper und korrespondieren mit dem aus verschiedenen wertvollen Materialien gefertigten raffinierten Kleid. Brokat, Spitze, Seide sind Statussympole auch am Kinderkörper.
Farbkorrespondenzen zwischen den Haarbändern, Ohrgehängen und Ärmelschleifen und die auf eine Linie gesetzte dreiteilige Schmuckgarnitur mit Gold und Schwarzblau demonstrieren das ästhetische Vermögen des Künstlers, der sein ganzes Augenmerk auf die Wiedergabe des Gesichts und der Körperhülle richtet. Nach Reinigung und Restaurierung wird sein gemaltes Schmuckstück nun in neuem Glanz auf Schloss Neu-Augustusburg die Hofkultur einer weitgehend vergessenen Epoche sächsischer Landesgeschichte beleuchten.