Museumsdepots: Die verborgenen Museen
Was verbergen Sie eigentlich vor uns?“ ist die Leitfrage am Ende jeder Arsprototo-Ausgabe, und was „Schön im Depot“ ist, wird immer wieder neu und überraschend beantwortet. Stets geht es um nicht ausgestellte Sammlungsobjekte, die in Magazinräumen aufbewahrt werden – denn heutzutage können in Museen nur etwa 10 bis maximal 60 Prozent der Gesamtbestände gezeigt werden. Der Rest schlummert im Depot, einem „zweiten, unsichtbaren Museum unter dem Museum“, wie der FAZ-Journalist Niklas Maak die Museumsmagazine nannte. Maak ist auch der Name des 2014 auf Initiative der Hermann Reemtsma Stiftung und der Kulturstiftung der Länder gegründeten Aktionsbündnisses zu verdanken: „Kunst auf Lager“. Ihre Aufgabe sehen die derzeitig 14 Partner in der Erschließung und Sicherung von Museumsdepots.
Infrastruktur & Logistik
„Gottorfs neue Abstellkammer“ – so betitelten die Schleswiger Nachrichten im vergangenen Jahr einen Bericht über den Umbau des ehemaligen Volkskundemuseums auf dem Hesterberg bei Schloss Gottorf zu einem Zentraldepot für die Landesmuseen Schleswig-Holstein. Die vermeintliche „Abstellkammer“ schafft immerhin 6.400 Quadratmeter Lagerfläche für nicht ausgestellte Museumsbestände. Hinzu kommen weitere 1.700 Quadratmeter durch die Errichtung eines neuen Depotbaus, der von der Hermann Reemtsma Stiftung finanziert wird. Dabei sollte man nicht von „Abstellkammern“ sprechen, sondern sich klar machen, dass all diese eingelagerten Stücke potenziell Museumsrang haben: Sie wurden bewusst angekauft oder gestiftet, um als kulturelles Erbe bewahrt zu werden. Im Leihverkehr spielten sie schon immer eine große Rolle. Und heutzutage werden an Magazine hinsichtlich Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtschutz prinzipiell dieselben strengen Maßstäbe angelegt, die auch für Ausstellungsräume gelten.
Konservierung & Restaurierung
Das war nicht immer so, und mit Depotbeständen ging man aufgrund zeitbedingt wechselnder Einschätzungen nicht immer pfleglich um. Deshalb liegt ein zweiter Förderschwerpunkt des Bündnisses auf der „Ertüchtigung“ magazinierter Objekte: Stücke, die durch die Art und die Dauer ihrer Lagerung gelitten haben, fragil wurden und deshalb nicht ausgestellt werden durften, können nach aufwendigen restauratorischen Maßnahmen wieder im Rahmen von Ausstellungen gezeigt werden. Da sie oft über sehr lange Zeiträume hinweg unsichtbar geblieben waren, nehmen sie durch ihre Wiederauferstehung nicht selten den Charakter veritabler Neuerwerbungen an. So hat beispielsweise der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder im Lindenau-Museum in Altenburg mehrfach Gemälde frühitalienischer Meister restaurieren lassen, die dann die Schausammlung dieses musealen Juwels bereicherten. Aber auch in Dauerausstellungen können verborgene Schätze schlummern. Als im Dommuseum Hildesheim die Neugestaltung der Dauerausstellung anstand, öffnete man ein Reliquiar und fand darin ein seltenes Holzmosaikkästchen. Dank der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung konnte es restauriert und anschließend als eigenständiges, wertvolles Exponat präsentiert werden.
Erschließung & Erforschung
Die dritte Förderlinie des Bündnisses legt die Betonung auf die Erschließung und Erforschung von Sammlungsbeständen. In Schleswig-Holstein fördert die Hermann Reemtsma Stiftung nicht nur den Depotbau, sondern auch die im Zuge der Umlagerung besonders gut realisierbare digitale Erfassung des Sammlungsguts. Depots sind auch unter diesem Aspekt betrachtet mitnichten „Abstellkammern“, sondern Wissensspeicher, und die Verfügbarmachung bislang vernachlässigter Bestände ist für die Forschung von zentraler Bedeutung. So hat die Volkswagen-Stiftung die wissenschaftliche Erschließung und Präsentation des Videoarchivs des Ludwig Forums Aachen gefördert – ein wichtiges Projekt angesichts schnell historisch werdender technischer Formate. An der Universität Bonn konnte dank der Gerda Henkel Stiftung die dort vorliegende Kartei mongolischer und tibetischer Museumsbestände fast aller relevanten Sammlungen digitalisiert, katalogisiert und wissenschaftlich bearbeitet werden – ein enormer Zugewinn für die internationale Forschung. Und das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die internationale Zusammenarbeit in dem Projekt „Weltweites Zellwerk“, das eine frühmittelalterliche Schmucktechnik und ihren Transfer unter die Lupe nimmt. Das Bündnis „Kunst auf Lager“ erweist sich im dritten Jahr seines Bestehens als ein Best Practice-Beispiel für praktizierten Kulturgutschutz an Museen. Vieles, was Museen aufgrund beschränkter Haushalte selbst nicht möglich ist, kann dank der 14 Bündnispartner dennoch realisiert und nachhaltig umgesetzt werden.