Kunst und Konfekt

Hans Haackes „Pralinenmeister“ ist ein Pranger: Die künstlerische Attacke gilt dem Sammler und Mäzen Peter Ludwig, der mit den Millionengewinnen der Schokoladenfabrik der Familie seiner Frau Irene, geb. Monheim, eine der progressivsten Kunstsammlungen der Nachkriegszeit aufgebaut hatte. Haacke porträtiert in sieben Doppeldarstellungen, die an das im Mittelalter gebräuchliche Format des Diptychons erinnern, den Kakao-Magnaten Ludwig u. a. als gewieften Steuerabschreiber und Profiteur eines kapitalistischen Konzerns: Links erscheint Peter Ludwig in einer repräsentativen Porträtaufnahme vor einer Wand mit Gemälden, rechts positioniert Haacke Aufnahmen anonymer Arbeiterinnen aus der Produktion des Monheim-Unternehmens – Machtkonzentration des Konzernlenkers und Ohnmacht der abhängigen Beschäftigten kontrastieren in Foto und Text. 1981 für die Ausstellung „Westkunst“ in den Kölner Messehallen angefertigt, dort aber dann doch nicht aufgenommen, wurde die Collage parallel in der Kölner Galerie Paul Maenz gezeigt. Der Künstler verfügte ein Ankaufsverbot für Peter Ludwig, der sich prompt für das Werk interessiert hatte. „Der Pralinenmeister“ ging in die amerikanische Sammlung von Gilbert und Lila Silverman, die das Werk für zahlreiche Ausstellungen wie die documenta 7 oder „Das XX. Jahrhundert“ in der Nationalgalerie Berlin ausliehen.

Aus der Privatsammlung kommt es jetzt mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Peter und Irene Ludwig Stiftung, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Perlensucher am Museum Ludwig, Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig, ins Museum Ludwig Köln.

Hans Haacke (* 1936) zitiert durch das Verwenden von Alltagsmaterialien und durch das serielle Prinzip Merkmale der Pop Art. Nicht nur verwendet der Künstler aus dem Konzern stammendes grafisches Material wie Schokoladenverpackungen, er richtet mit der Pop Art-Anleihe auch die von Peter Ludwig zu dieser Zeit bevorzugte Kunstrichtung gegen den als Kunsthistoriker ausgebildeten Aufsichtsratsvorsitzenden der Monheim AG. In den rechtsseitigen Texten geht Haacke auf den wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns ein, der linke Text nimmt das Anwachsen der Kunstsammlung Peter Ludwigs ins Visier, ironisierend erscheint hier typographisch eine Anleihe an die konservative Gediegenheit der Konfektverpackungen. Haacke will durch die Parallelisierung demonstrieren, welche kulturpolitischen Auswirkungen das Prosperieren des Konzerns mit sich bringt. Peter Ludwig, der geschickt steuerliche Vorteile und Subventionen ausschöpfte, konnte als international aktiver Kunstankäufer unmittelbar auf den Kunstmarkt einwirken. Mit der Eröffnung von Ludwig-Museen nahm er schließlich auch nachhaltig Einfluss auf die öffentliche Präsentation von Kunst. Haacke recherchiert in seinen Werken immer wieder die Verflechtung ökonomischer mit kulturellen Prozessen: „Der Pralinenmeister“ legt die systemische Verstrickung von Konzern und Mäzenatentum offen. Hans Haacke sagte 1981: „[…] Und dann werden uns gönnerhaft ein paar Früchte dieser Subventionen unter harten Bedingungen zurückgegeben. Die Werke bleiben ja nicht nur unter der Kontrolle des ‚Stifters‘, sie verschaffen ihm auch in öffentlichen Gremien eine beispiellose Macht über öffentlichen Besitz und Steuergelder. Als Krönung des Ganzen entfallen dann noch Erbschaftssteuern von mehreren Millionen Mark, abgesehen von den Steuervergünstigungen zu Lebzeiten.“

Frank Druffner, kommissarischer Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, sagte: „Die Erwerbung des ‚Pralinenmeisters‘ durch das Kölner Museum Ludwig belegt dessen selbstkritischen Umgang mit den eigenen Anfängen. Denn Hans Haackes Werk ist ein wichtiges Zeitzeugnis unbequemer, politischer Kunst. Er geht mit dem Schokoladenfabrikanten und Sammler Peter Ludwig 1981 hart ins Gericht, indem er dessen Geschäftsgebaren, aber auch sein Mäzenatentum schonungslos hinterfragt.“