Köhlers Kreuz

Kurz nachdem Johann Heinrich Köhler (1669 – 1736) Mitte der 1690er-Jahre aus seinem thüringischen Geburtsort Langensalza nach Dresden kam und dort als Goldschmied mit eigener Werkstatt eine erfolgreiche Existenz aufgebaut hatte, standen die Zeichen am Dresdner Hof Augusts des Starken (1670 – 1733), Kurfürst von Sachsen und König von Polen, auf Wandel: War die königliche Schatzkammer zuvor allein der privaten Erbauung vorbehalten gewesen, wurde um das Jahr 1721 begonnen, das hintere Grüne Gewölbe zu einer eindrucksvollen Schatzkammer für Besucher einzurichten. Köhler, der bereits kurz nach seiner Ankunft in der Residenzstadt mit Ankäufen für die kurfürstliche Preziosensammlung betraut worden war, wurde schließlich 1718 zum Hofjuwelier ernannt. Diese Funktion gab ihm den Freiraum, das Grüne Gewölbe bei seiner Einrichtung als einzigartige Schatzkammer der damaligen Zeit mitzugestalten.

Köhlers Aufgabenspektrum umfasste das Arrangieren der ausgestellten Objekte in Schaukästen, den Erwerb neuer Objekte sowie das Instandsetzen von kostbaren Schaustücken für die Ausstellung im Grünen Gewölbe. Dabei war er mit den kostbarsten Materialien und Naturalien von Edelsteinen über Nautilusschalen bis hin zu Elfenbein konfrontiert. Kunstvolle Fassungen gehen auf Köhlers Wirken in Dresden zurück, aber auch Goldschmiedearbeiten für Schmuck – insgesamt 41 vielseitige Objekte, an denen die Mitwirkung Köhlers dokumentiert ist, erfasst das Inventar der königlichen Schatzkammer im Jahr 1725.

Gesamtansicht, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Weber/ Willert
Gesamtansicht, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Weber/ Willert

Die Freude am Arrangement, der erfindungsreiche Umgang mit bewusst eingesetzten Materialien, Farben, Formen, den Köhler zeitlebens perfektionierte, spiegeln sich meisterhaft in seiner letzten Arbeit: Kurz vor seinem Tod stiftete Johann Heinrich Köhler seiner Taufkirche ein imposantes Altarkreuz. Über einem zweiteiligen, bunt besetzten Sockel, der, verziert mit punzierten Blütenformen und Naturmotiven, an den Berg Golgatha erinnert, erhebt sich das hölzerne Kreuz mit Christusfigur. Gut einen Meter hoch, vereint die Arbeit eine üppige Vielfalt: Leuchtende Glassteine und farbkräftige Edelsteine treffen auf Farbmalereien, Silber, Email und Perlmutt. Damit greift das Kreuz all jene Werkstoffe auf, die Köhler während seines Berufslebens beim Kurfürsten August dem Starken und seinem Nachfolger tagtäglich durch die Hände gingen. Der Tod Johann Heinrich Köhlers am 5. Mai 1736 ließ das Kreuz unvollendet zurück, woraufhin der Silberarbeiter Johann Sigmund Weniger die abschließenden Arbeiten aufnahm.

Zustand vor der Restaurierung, Detail Berg, © Willert
Zustand vor der Restaurierung, Detail Berg, © Willert

Der heute desolate Zustand wird erst bei näherer Betrachtung deutlich: Das Silber ist dunkel korrodiert, teils mit Kerben und Kratzern versehen. Einige Steine sind gebrochen oder abgeplatzt, auch der Bereich des Lindenholzsockels ist schadhaft. Schmutz- und Staubauflagen halten sich in den wenig zugänglichen Partien. Im Rahmen einer umfassenden Restaurierung werden die zahlreichen Besätze in mühevoller Detailarbeit gefestigt und das kostbare Material aufwändig gereinigt. Der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder ermöglicht die kürzlich begonnenen Maßnahmen.