Götter im Quartett

Venus und Jupiter betrachten die Gesellen des Schmiedegottes Vulkan bei der Arbeit, Chronos, Herrscher der Zeit, wendet sich der auf Wolken thronenden Juno zu, die Erdmutter Cybele säugt am Boden sitzend ein Kind, umgeben von den reichen Gaben von Äckern und Gärten, und Neptun erreicht mit seiner Gemahlin Amphitrite eine felsgesäumte Küste: Reich ausgebildete Figurengruppen mit vielfältigen Attributen bevölkern in Johann Heiss’ (1640 –1704) Gemäldezyklus der „Vier Elemente“ eine flache Bildbühne, auf der die Personifikationen der Elemente Feuer, Luft, Erde und Wasser dem Betrachter in Nahsicht gegenübertreten. Großformatig angelegt, scheint der im Element „Luft“ signierte und 1690 datierte Zyklus wie geschaffen für die Gemäldegalerie eines privaten Sammlers mit Sinn für komplexe Bildprogramme. Heiss’ Auftraggeber ist nicht überliefert, aber es lässt sich annehmen, dass der Maler das anspruchsvolle Werk nicht ohne die Sicherheit eines jener Abnehmer aus adeligen, aber zunehmend auch bürgerlichen Kreisen in Angriff genommen hätte, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges mit ihren Ankäufen dafür sorgten, dass Augsburg als Handelsplatz für Kunst, Kunsthandwerk und Graphik ein Zentrum künstlerischer Ideen blieb.

Der im schwäbischen Memmingen geborene Heiss war in den 1660er Jahren am Hof des württembergischen Herzogs Eberhard III. in Stuttgart tätig, bevor er sich nach einem Umweg über seine Heimatstadt 1677 endgültig in Augsburg niederließ. Man hat sich den Künstler zu diesem Zeitpunkt als einen vielseitig interessierten, mit dem Humanismus seiner Zeit vertrauten und gut vernetzten Mann vorzustellen. Anzunehmen ist auch, dass Heiss – neben seinem u. a. an graphischen Vorbildern geschulten visuellen Bildungshorizont – zur Inspiration nach Italien reiste: Dort konnte Heiss die venezianische Malerei im Original studieren, ebenso wie die Gemälde des lange in Rom tätigen Nicolas Poussin (1594 –1665). Seine Farbigkeit hinterließ wie die Tizians und Tintorettos ihre Spuren in Heiss’ Bildern. Doch bei allem gelehrten barocken Klassizismus fällt in seinen Gemälden eine Art bodenständige Erzählfreude auf: Die Körper seiner Götter sind zwar nackt, aber nur bedingt ideal, und man ist versucht, von Allegorien im Gewand der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts zu sprechen. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Sparkassenstiftung Memmingen-Mindelheim, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Geschwister Rittmayer Stiftung, der Kurt und Felicitas Viermetz Stiftung und der Bezirk-Schwaben-Stiftung für Kultur und Bildung erhält die Barockgalerie im Stadtmuseum Memmingen die Elemente-Tetralogie, die sich dort nun glücklich zu einer früheren Förderung der Kulturstiftung der Länder, zu Johann Heiss’ 1676 entstandenem Zyklus der „Vier Jahreszeiten“ gesellt.