Was verbindet die Briefe Franz Kafkas an seine Schwester Ottilie mit Oskar Kokoschkas Gemälde „Sommer I“? Auf den ersten Blick ihre historische Verortung, denn hier trifft die literarische Moderne auf die klassische Moderne der Malerei, aber nicht nur das: Das Briefkonvolut und das Gemälde markieren den Beginn und den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe von Erwerbungen, die in Deutschland, aber auch international seit der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts von bedeutenden Kulturinstitutionen gemeinsam getätigt wurden. Für die Kulturstiftung der Länder ist die Begleitung, Beratung und Förderung solcher Kooperationen seitdem gelebte und geübte Praxis, und sie unterstützte bei sämtlichen hier genannten Beispielen deutscher Kulturinstitutionen den Ankauf.
Der Auftakt war spektakulär: 2011 gelang es, gleich zwei solcher kooperativen Erwerbungen zu präsentieren. Das Deutsche Literaturarchiv Marbach und die Bodleian Library Oxford erwarben 111 Briefe und Postkarten von Franz Kafka an seine Schwester Ottilie. Damit war ein Meilenstein gesetzt, die des ersten und bisher einzigen binationalen Ankaufs hochbedeutenden Kulturgutes mit deutscher Beteiligung. Im selben Jahr konnten das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und die Kunstsammlungen und Museen Augsburg gemeinsam eine Sammlung von 120 Altmeisterzeichnungen aus dem Besitz der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg erwerben.
Blickt man auf die internationale Bühne, so setzten im selben Zeitraum Bemühungen um gemeinsame Erwerbungen von Kunstwerken in großen öffentlichen Institutionen ein: 2012 gaben die Nationalgalerien in Edinburgh und London bekannt, dass nach dem Ankauf von Tizians Meisterwerk „Diana und Aktäon“ im Jahr 2009 auch sein Pendant, „Diana und Kallisto“, in öffentliches Eigentum übergehen und abwechselnd in England und Schottland gezeigt würde. Drei Jahre später kam es zu einem neuerlichen, diesmal europäischen Doppelerwerb: Louvre und Rijksmuseum konnten ihren Sammlungen die ganzfigurigen Hochzeitsporträts des Ehepaars Maerten Soolmans und Oopjen Coppit von Rembrandt (1634) aus dem Besitz der Familie Rothschild hinzufügen. Auch bei dieser Erwerbung kommt seitdem das Publikum in Paris und Amsterdam abwechselnd in den Genuss der Gemälde. 2023 erweiterte sich der Kreis noch einmal um die erste transatlantische Kooperation, in diesem Fall zwischen der National Portrait Gallery in London und dem Getty Museum in Los Angeles. Mit Unterstützung einer ganzen Reihe von Förderern gelang es, das Porträt des Polynesiers Mai (Omai), datiert c. 1776, anzukaufen. Dieses erste, repräsentative Bildnis eines Mannes aus der Pazifikregion wird aktuell in der National Portrait Gallery gezeigt.
Wie war es inzwischen in Deutschland weitergegangen? An zwei Beispielen lässt sich illustrieren, wie komplex (und zuweilen auch zeitaufwendig) der Erwerb großer Konvolute sein kann: 2014 erwarb die Bayerische Staatsbibliothek gemeinsam mit der Staatsbibliothek zu Berlin und der Ernst von Siemens Kunststiftung das in seiner Größe und Geschlossenheit einmalige historische Schott-Archiv, eine zentrale Quelle zur Musikgeschichte. Ein Konvolut dieser Größe und inhaltlichen Vielfalt benötigte ein ganzes Konsortium, um die Bestände angemessen in institutionelle Obhut zu überführen. Daher beteiligten sich sechs weitere Einrichtungen an diesem Ankauf: die Akademie der Künste, Berlin, die Carl-Orff-Stiftung in Dießen am Ammersee, das Beethoven-Haus Bonn, die Fondation Hindemith in Blonay (Schweiz), das Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung, Karlsruhe, und die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main. Auch hier fällt die internationale Vernetzung der Kooperationspartner auf, erstmals kam eine schweizerische Partnerinstitution hinzu.
Zugleich begannen bereits im Jahr 2010 die ersten Sondierungen auf dem langen und schließlich erfolgreichen Weg zum Ankauf des Nachlasses eines der wichtigen deutschen Fotografen des 20. Jahrhunderts: 2016 glückte schließlich der Abschluss des Ankaufs des Nachlasses von UMBO (Otto Umbehr, 1902–1980). Die Stiftung Bauhaus Dessau erwarb die Bilder aus seiner Bauhaus-Zeit, die Berlinische Galerie wählte jene Fotografien aus, die die Moderne in Berlin dokumentieren, und das Sprengel Museum kaufte das in Hannover entstandene Spätwerk – insgesamt mehr als 600 Fotografien und Quellenmaterial.
Um eine der größten Sammlungen zur Geschichte des bewegten Bildes zusammenzuhalten und ihre Zugänglichkeit, wissenschaftliche Bearbeitung und Ausstellung zu gewährleisten, taten sich das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt am Main, das Filmmuseum Potsdam, In-Institut der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, und die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln zusammen. Die einzigartige Sammlung enthält 25.000 Objekte und wurde über Jahrzehnte von dem Filmwissenschaftler, Filmkünstler und Sammler Werner Nekes (1944–2017) zusammengetragen. Die erfolgreiche Kooperation wurde 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Klassik Stiftung Weimar, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Ernst von Siemens Kunststiftung erwarben 2024 gemeinsam das „Karlsruher Skizzenbuch“ von Caspar David Friedrich von 1806. Damit gelangte das letzte bekannte und auf dem Kunstmarkt zugängliche Skizzenbuch des Künstlers in seinem Jubiläumsjahr in öffentliches Eigentum.
Der gemeinsame Ankauf von Oskar Kokoschkas Gemälde „Sommer I“ steht damit in einer noch jungen, aber national wie international erprobten und erfolgreichen Tradition. Abschließend lohnt es sich, noch einmal die Frage nach der Verbindung zwischen den vorgestellten, nach künstlerischen Gattungen und Medien so unterschiedlichen kooperativen Erwerbungen zu stellen. Was sämtliche Ankaufsvorhaben eint, ist die herausragende Qualität und Einzigartigkeit der Kunstwerke und Kulturgüter. Außergewöhnliche Werke führten zu außergewöhnlichen Lösungen bei der Frage, wie es gelingen kann, Kunstwerke oder Schriftgut von diesem symbolischen, aber auch materiellen Wert in öffentliches Eigentum zu überführen, große Konvolute als Bedeutungszusammenhänge zu erhalten, und die Werke jeweils sachgerecht zu konservieren, zu erschließen und der Öffentlichkeit dauerhaft zur Verfügung zu stellen, sei es für die wissenschaftliche Forschung oder die Vermittlung, etwa in Ausstellungen. So herausragend wie die Qualität der Kunstwerke sind die Institutionen, die sich als Kooperationspartner für die Erwerbungen in vorbildlicher Kollegialität zusammengefunden haben, im Wissen um die einzigartige Chance, die die jeweilige Erwerbung für den eigenen, aber auch den Bestand der Partnerinstitution(en) bietet.