Gefestigter Held
Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass der Heilige Georg wieder im Licht der Öffentlichkeit steht: Um 1380 in Tirol entstanden, kam die Skulptur wohl über den Kunsthandel nach Zwickau, fristete dort aber wegen des schlechten Zustandes wahrscheinlich schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Dasein versteckt im Depot. Nach der umfassenden Restaurierung, die dank zahlreicher Spenden unserer Leser (Spendenaufruf in Arsprototo 2/2009) möglich wurde, ist der Heilige Georg nun wieder zum Leben erweckt und erstmals in den Räumen der Zwickauer Kunstsammlungen zu erleben.
Hochwasserschäden, Anobienbefall und Staub hatten dem Drachentöter ordentlich zugesetzt. Sogar einige Gliedmaßen gingen im Laufe der Zeit verloren – die Ohren des Drachen, einzelne Finger, ein Teil des linken Handschuhs und die rechte Fußspitze fehlten. Auch die tödliche Lanze, die dem Drachen in den geöffneten Schlund fuhr, existiert heute nicht mehr. Als Zeuge der typischen Formensprache ihrer Zeit – und als älteste Skulptur in dieser Sammlung – wird die markante Skulptur aus Lindenholz nun zu einem Höhepunkt in den Kunstsammlungen Zwickau, sie ergänzt dort hervorragend die Sammlung sakraler Werke spätmittelalterlicher und frühbarocker Kunst. Ausgehend von der Baumeister- und Steinmetzfamilie der Parler, hatte sich in der böhmischen Kunst diese Ausführung von Skulpturen etabliert. Charakteristisch zeigt sich die Rüstung mit dem tief auf der Hüfte sitzenden Gürtel: Dieser Typus wurde zum Vorbild für Schnitzer in nahezu ganz Europa (zumindest der unter dem Einfluss der Habsburger stehenden Länder). Auch sächsische Schnitzer orientierten sich gerne an dieser Formensprache, als reizvoller Vergleich ist die aus dem Süden stammende Skulptur des Heiligen Georgs nun neben den vorwiegend aus Sachsen stammenden Figuren in Zwickau zu erleben. Damit nicht genug – in Zwickau begegnen sich auch der mittelalterliche und ein expressionistischer Drachentöter: Das in der Zwickauer Ausstellung vorhandene expressionistische Relief „Drachentöter“ von Karl Albiker (1922/23) lässt den großen Einfluss der Gotik auf die Künstler des Expressionismus erkennen.
In einer früheren Überarbeitung des Heiligen Georgs waren bereits die Farbschicht der Haare von braun zu schwarz gefärbt und die Ärmelinnenseiten grün überlegt worden (der Rest der Skulptur behielt die Originalfarbe). Die Skulptur besteht aus Einzelteilen, die mit Dübeln und Nägeln verbunden wurden – diese Verbindungen wurden ebenfalls bereits in einer früheren Restaurierung zu Teilen erneuert, um dem Heiligen Georg zu mehr Standfestigkeit zu verhelfen. In mühevoller Detailarbeit wurden bei der jetzigen Restaurierung auch ein dicker, leimhaltiger Überstrich entfernt, außerdem alle Fassungen konserviert und an einigen Stellen neu gekittet. Besonders auffällige Fraßgänge wurden mit Holzkitt geschlossen und retuschiert. Genauso wurden die neu gekitteten Fassungen mit einer Strichtechnik retuschiert und Bereiche, in denen der Kreidegrund offen lag, mit Gouachefarbe leicht zurückgetönt. Zu guter Letzt erhielt der Heilige Georg zur Konservierung einen Dammarharz-Überzug. In einer kleinen Schönheits-Korrektur wurde die abgeschlagene Ecke des Handschuhs ergänzt, der sonstige Zustand aber beibehalten. Nun strahlt der Drachentöter wieder in altem, neuen Glanz und ist als eindrucksvolles Beispiel mittelalterlicher Schnitzkunst in Zwickau zu erleben. Die Zwickauer Kunstsammlungen und die Kulturstiftung der Länder danken allen Spendern sehr herzlich für die Unterstützung!