Einbauschrank für Sakrales

Mittelalterliche Sakristeischränke sind rar, auch wenn man ihnen zuweilen in Kunstgewerbe- oder Diözesanmuseen begegnet. An Ort und Stelle verblieben sind sie selten. Vor diesem Hintergrund ist der Sakristeischrank in St. Katharinen in Brandenburg an der Havel eine Besonderheit: Er blieb seit der Mitte des  15. Jahrhunderts nicht nur immer in derselben Kirche, ihm war auch seit dem Bau der Sakristei eine ganz genau bestimmte Stelle zugewiesen. Denn der Bauentwurf sah wohl von vornherein eine segmentbogig abgeschlossene Wandnische unterhalb des großen Südfensters vor, in die der Schrank passgenau eingefügt wurde – er ist also ein veritabler Einbauschrank, der plan mit der Wand abschließt und anders als die geläufigeren Typen nie als freistehendes, transportables Möbel konzipiert war. Vielleicht erklärt sich aus diesem Umstand auch die Art der Dekoration. Der Schrank wurde nicht beschnitzt, sondern bemalt.

Sakristeischrank, um 1456, 146 × 222 × 48,5 cm; St. Katharinen in Brandenburg an der Havel; © Foto: Hans-Uwe Salge
Sakristeischrank, um 1456, 146 × 222 × 48,5 cm; St. Katharinen in Brandenburg an der Havel; © Foto: Hans-Uwe Salge

Seine Front weist drei grün gebeizte Türen mit massiven Beschlägen, Griffen und Schlössern auf. Das Metallwerk ist ein Hinweis auf seinen Inhalt: Die liturgischen Gefäße – also Abendmahlskelche, Taufschüsseln, Weihrauchbehälter, Leuchter und Kannen –, die in den Gefachen der drei inneren Abteilungen aufbewahrt wurden, kamen als vasa sacra in der Heiligen Messe zur Anwendung und waren deshalb meist aus Gold oder Silber und Edelsteinen gefertigt. Der Inhalt des Schranks besaß also hohen materiellen und symbolischen Wert und musste vor unerlaubten Zugriffen geschützt werden. Dem Umstand, dass er derlei Preziosen barg, trug auch die Gestaltung der Schrankfront Rechnung. Die Türen sind in ein Holzfeld eingepasst, das durch mehrfarbige Schablonenmalerei mit Granatmuster verziert ist. Man fühlt sich an einen kostbaren Vorhang aus wertvollem Brokatstoff erinnert. Dem abschließenden Segmentbogen ist eine Blende aufgesetzt, die das Dekor aufnimmt und den Schrank in seiner Gesamterscheinung in eine querrechteckige Form bringt.

Sakristeischrank, um 1456, 146 × 222 × 48,5 cm; St. Katharinen in Brandenburg an der Havel; © Foto: Hans-Uwe Salge
Sakristeischrank, um 1456, 146 × 222 × 48,5 cm; St. Katharinen in Brandenburg an der Havel; © Foto: Hans-Uwe Salge

Der fest vorgegebene Standort des Sakristeischranks wurde ihm beinahe zum Verhängnis. Er ist in eine Außenwand unter einem großflächigen Fenster eingelassen, mithin also Temperaturschwankungen und – gravierender noch –  eindringender Feuchtigkeit ausgesetzt. Denn bis in die jüngste Zeit besaß St. Katharinen keine Regenrinnen, d. h. die Niederschläge drangen ungehindert und großflächig in das Mauerwerk ein und wurden vom Holz des Schrankes buchstäblich aufgesogen. Dementsprechend erschreckend war das Schadensbild, als man den Schrank vor etlichen Jahren aus der Nische entfernte: Die Rückwand war stellenweise regelrecht verrottet, ja selbst Gefache und Einlagebretter in Teilen beschädigt. Die Schmuckmalerei ihrerseits wies Fehlstellen und Beschädigungen auf, die auf ein halbes Jahrtausend des kontinuierlichen Gebrauchs zurückzuführen waren, denn ungeachtet der Reformierung der Kirche 1536 behielt er seine Funktion.

Das vom Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder finanzierte Restaurierungsprojekt zog sich über einige Jahre hin. Denn bevor man an den Schrank selbst herangehen wollte, musste gewährleistet sein, dass sein Standort nach der Restaurierung kein Gefahrenpotenzial mehr aufwies. Dies bedeutete, dass im Verbund mit der Denkmalpflege für ein halbwegs stabiles Mikroklima in der Wandnische gesorgt werden musste. Nur so ließen sich erneute Feuchtigkeitsschäden wenn nicht zu hundert Prozent ausschließen, so doch deutlich eindämmen. Man kann sich leicht vorstellen, dass die entsprechenden Maßnahmen zeitaufwändig waren. Tatsächlich wurde der Antrag auf Restaurierung des Schranks zwar bereits im Jahr 2009 gestellt, abgebaut und in die Berliner Restaurierungswerkstatt von Nadja Jaeckel transportiert wurde er jedoch erst 2016 (damals konnten ihn die Mitglieder des Freundeskreises anlässlich der Jahresversammlung in Brandenburg in zerlegtem Zustand besichtigen).

Die Pfarrkirche St. Katharinen in Brandenburg an der Havel; © Dr. Krekeler Generalplaner GmbH / Foto: S. Melchior
Die Pfarrkirche St. Katharinen in Brandenburg an der Havel; © Dr. Krekeler Generalplaner GmbH / Foto: S. Melchior

Am 17. Mai 2017 war es dann soweit. Im Rahmen einer Feierstunde wurde der Sakristeischrank in St. Katharinen im Beisein einiger Freunde der Kulturstiftung der Länder wieder seiner ursprünglichen Bestimmung übergeben. Nach einer profunden Einführung in die verschiedenen Etappen der Restaurierung durch Nadja Jaeckel schritt eine kleine Prozession mit Pfarrer Jonas Börsel an der Spitze in die Sakristei und nahm den nun wieder in seiner ertüchtigten angestammten Nische stehenden, in neuem Glanz erstrahlenden Sakristei­schrank symbolisch in Gebrauch: Durch das Einstellen des alten Abendmahls­kelches von 1516 (mit ihm war dann auch das erste Abendmahl nach der Reformation gefeiert worden) und einer Taufschale wurde an seine ursprüngliche und zukünftige Nutzung erinnert. Nun müssen nur noch die Schlösser erneuert werden, dann kann auch der übrige Kirchenschatz wieder in den mehr als 500 Jahre alten Einbauschrank zurückkehren.