Rückkehr der Würfelknechte

Ein kostbarer mittelalterlicher Altaraufsatz aus Alabaster, heute ausgestellt in der neu konzipierten Ausstellung des Halberstädter Domschatzes, ist wieder voll­ständig: Das seit 1958 vermisste Relief aus diesem Kalvarienberg, einer Dar­stellung der Kreuzigung Christi mit zahlreichen Begleitfiguren, konnte mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt aus amerikanischem Privatbesitz für seinen angestammten Platz in Halber­stadt erworben werden. Die über zwei Meter hohe Bildhauerarbeit aus der Zeit um 1460 mit dem jetzt wieder vorhandenen Relief mit Soldaten, die um das Gewand Christi würfeln, wird ab sofort im Halberstädter Domschatz zu sehen sein.

Detailreich aus feinem Alabaster vermutlich in einer mitteldeutschen Spezial­werkstatt gearbeitet und wahrscheinlich von dem Geistlichen des Domkapitels Johann Mestorp gestiftet, vervollständigt das Relief nun den Halberstädter Kalvarienberg, der – neben einem niederländischen Kreuzigungsensemble aus Rimini-Covignano im Frankfurter Liebieghaus – jetzt eine der wenigen nahezu vollständigen Kreuzigungs­darstellungen aus Alabaster in Europa bildet. Häufig werden in diesen figuren­reichen Schöpfungen die um das Gewand Christi wür­felnden Soldaten dargestellt. Beim Halberstädter Relief zeigt sich die heraus­ragende bildhauerische Qualität in der Drastik der Physiognomie und einer Dra­matik des Szenischen: Eigentlich sollen die Würfel entscheiden, wer das Gewand Christi erhält. Doch offensichtlich ist keiner der Kriegsknechte gewillt, so lange zu warten und sich dem Zufall zu beugen. Bereits gezückte Dolche, erste Rangeleien und der Griff nach dem Gewand von mehreren Seiten zeigen einen eskalierenden Kampf. Häme und Habgier, Zorn und Hinterlist sprechen aus den verzerrten Gesichtern.

Rechtzeitig während des Zweiten Weltkriegs ausgelagert, wurde der Domschatz schon 1945 hinter dem Rücken der Alliierten nach Halberstadt zurückgebracht, aber erst 1959 konnten die kostbaren Stücke der kirchlichen Schatzkammer wieder gezeigt werden. Bei den Vorbereitungen bemerkte man 1958 das Fehlen des jetzt wiedergewonnenen Reliefs, dessen Verschwinden damals nicht geklärt werden konnte. Spätestens seit 1976 befand es sich – unbemerkt von der Öffentlichkeit – in westdeutschem Privatbesitz und tauchte im Jahr 2000 auf einer Kölner Auktion wieder auf. Damals nach heftigen Bietergefechten in eine amerikanische Privatsammlung verkauft, konnte es nun – anlässlich der Neugestaltung des Domschatzes 2008 – endlich wieder nach Deutschland zurückgeführt werden.