Die verschwundenen Donatellos

Außerhalb von Florenz ist das Bode-Museum in Berlin einer der wenigen Orte, an dem die Kunst von Donatello (um 1386-1466), dem wichtigsten Bildhauer der Florentiner Renaissance vor Michelangelos Wirken, umfassend vertreten ist. Neben viel beachteten Werken aus Marmor, Terrakotta und Bronze von der Hand des Künstlers beherbergt die Skulpturensammlung der Berliner Museen einige kaum erforschte Werke, an denen selbst bei noch ungeklärter Urheberschaft der Einfluss Donatellos deutlich ablesbar ist. Ihre Erwerbung geht auf die unermüdliche Tätigkeit von Wilhelm von Bode (1845-1929), dem anerkannten Kurator, späteren Direktor der Berliner Museen und Namensgeber des heutigen Museumsbaus, zurück. Zu Lebzeiten Bodes war Berlin ein unumstrittenes Zentrum der Forschung über Donatello. Nach 1933 ging dieser Rang verloren: Die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg sowie die Nachkriegszeit mit allen ihren Folgen ließen viele Werke der Sammlung in Vergessenheit geraten. Ein Teil davon wurde durch Feuersbrünste im Mai 1945 beschädigt, darunter auch hoch gepriesene Meisterwerke des Künstlers; andere Arbeiten kamen ins Depot, wo sie nur für wenige Wissenschaftler einsehbar waren. Nun ist es an der Zeit, die Sammlung in ihrer Gesamtheit neu zu beleuchten und zugleich die Qualität der vielen Werke zu würdigen, die bisher unbeachtet blieben. Ein internationales Symposium mit Beiträgen von renommierten Wissenschaftlern der Donatello-Forschung bietet hierfür den geeigneten Rahmen.

Die Neubewertung der Rolle Donatellos in den Berliner Museen wird begleitet von fachlichen Diskussionen zu Themen der Ausstellung “Das verschwundene Museum. Die Berliner Skulpturen- und Gemäldesammlungen 70 Jahre nach Kriegsende”, die mit der fachlichen Beratung des Deutsch-Russischen Museumsdialoges ermöglicht wurde und noch bis zum 27. September 2015 im Bode-Museum zu sehen ist. Obschon sich eine Sektion der Ausstellung explizit Donatello widmet, gehen die im Symposium behandelten Themen weit über diesen einen Künstler hinaus: Die kriegsbedingte Verlagerung tausender Kunstwerke ab 1945, die Rückgabeaktionen der 1950er Jahre sowie erhebliche Beschädigungen einiger Werke eröffnen komplexe Fragestellungen zum Umgang mit der Erinnerung, der Restaurierung und der Identität, die im Zentrum der Gespräche stehen werden. Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des Deutsch-Russischen Museumsdialoges, moderiert den zweiten Tag der Konferenz zum Schwerpunkt Kulturgutverluste und Beutekunst; Dr. Regine Dehnel, Leiterin der „Arbeitsgruppe Kriegsverluste deutscher Museen“ referiert zu „Was geschah im Flakbunker Friedrichshain im Mai 1945?“.

Das Symposium wird organisiert von Julien Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst sowie Kurator der Ausstellung „Das verschwundene Museum“, und Neville Rowley, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bode-Museum und Autor des in Kürze erscheinenden Online-Bestandskataloges der Werke Donatellos in den Berliner Museen.