Elerdts Epitaph

Auf der einen Seite der nackte Papst im Höllenfeuer – nur noch zu erkennen an der Tiara –, auf der anderen das Himmelreich. Der Krieg der Konfessionen ereignet sich hier bildgewaltig: Die Gedenktafel zu Ehren des 1555 verstorbenen Braun­schweiger Bürgermeisters Melchior Elerdts ist ein bedeutendes zeithistorisches Zeugnis. Nun konnte die St. Andreas-Kirche, vertreten durch das Landeskirchen­amt der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig, das Ölgemälde mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder aus dem Kunsthandel zurückerwerben.

Werke wie dieses liefern uns heute wertvolle Einblicke in die religiöse und politische Situation des 16. Jahrhunderts und ihre Rezeption in der Kunst. Der protestantische Auftraggeber des Elerdts-Andachtsbildes verrät sich durch die despektierliche Darstellung des höchsten katholischen Würdenträgers: Als gewöhnlicher Sünder ins Flammeninferno verbannt, verliert der Papst mitsamt der katholischen Kirche seine vorherrschende Machtstellung. Hoch oben über auf­gewühlten Wolkenbergen thront der richtende Christus, umringt von seinen Aposteln und Jüngern. Darunter ereignen sich biblische Szenen des Jüngsten Ge­richts: Die Auserwählten warten auf ihr Urteil – entweder für ewig in die Unter­welt verdammt zu sein oder von wartenden Engeln ins Paradies getragen zu werden.

Einer der Todgeweihten kniet betend am unteren Bildrand – Melchior Elerdts mit seiner Familie. Zu seinem Gedenken wurde das Gemälde vermutlich beim Braunschweiger Maler Franz Bock in Auftrag gegeben: als Teil eines kunstvoll gearbeiteten Epitaphs. Was das Porträt für die Lebenden, war das Epitaph für die Toten. Eine Art geschnitztes Grabmal. In großen Kirchen für alle sichtbar aufge­hängt, sollte es künftige Generationen an regional bedeutende Persönlichkeiten erinnern. Vor allem für Familien des städtischen Bürgertums und des Adels war das Epitaph eine postume Repräsentationsmöglichkeit.

Jahrzehntelang war das Elerdts-Epitaph mitsamt dem Ölgemälde verschollen – nun kehrt wenigstens das Bild glücklich an seinen Bestimmungsort zurück. Nachdem es die Schäden des Zweiten Weltkriegs überstanden hatte, wurde es nach 1945 in der Sakristei der Braunschweiger Kirche eingelagert und später gestohlen. Seither galt es als verloren. Umso mehr freut sich die St. Andreas-Gemeinde über die erfolgreiche Rückführung des Werks in ihre Kirche. Nachdem die Familie Elerdts es ihr gestiftet hatte, war es rund 400 Jahre lang wichtiger Bestandteil des Braunschweiger Kulturerbes der Reformationszeit. Nur wenige Gemälde aus Braunschweiger Kirchen sind erhalten geblieben. Zudem vervollständigt das unlängst restaurierte Elerdts-Gemälde eine „Jüngstes Gericht-Trias“ in der St. Andreas-Kirche, denn dort haben sich zwei solcher Darstellungen erhalten: eine steinerne Grabplatte von 1483 und großformatiges Ölgemälde vom frühen 18. Jahrhundert. Alle drei Darstellungen des „Jüngsten Gerichts“ aus der St. Andreas-Kirche sind somit nun wieder vereint.