Versilberung des Alltags
Ein ausgekippter Nachttopf, ein übelriechender Misthaufen, ein zu eng geschnürtes Mieder oder gar der ungewaschene Nachbar in der Kirchenbank – es gab auch früher schon mannigfaltige Gründe, ein Riechdöschen in der Tasche zu haben, um im Notfall schnell die Nase hineinzustecken. Eine Essenz aus Rosen, Maiglöckchen oder Moschus, geträufelt auf einen Naturschwamm, brachte die Leidenden schnell auf andere Gedanken. Solch kunstvoll angefertigte Riechdosen sind nur ein Teil der ostfriesischen Kleinsilbersammlung, die der Antiquitätenhändler Horst Arians in über 40 Jahren zusammengetragen und dokumentiert hat. Hinzu kommen zahlreiche silberne Spangen, Teesiebe, Bestecke sowie allerlei Alltagsgegenstände, die wohlhabende Marschbauern und Stadtbewohner im 18. und 19. Jahrhundert benutzt haben. Besonders die Riechdosen – hergestellt von heimischen Silberschmieden – sind in ihrer Verarbeitung hochqualitative Kunstwerke und gleichzeitig eine regionale Besonderheit: Mitunter wurden sie als Konfirmationsgeschenke an die folgenden Generationen weitergegeben. In bemerkenswerter Formenvielfalt verzieren mythologische und christliche Szenen, florale Muster und auch solche aus dem alltäglichen Leben der Bauern die 212 Dosen, die Arians neben rund zweihundert weiteren kleinen Silberschätzen leidenschaftlich gesammelt hat. Dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden gelang nun der Ankauf dieser einzigartigen Sammlung mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Landes Niedersachsen, der Gerhard ten Doornkaat Koolmann Stiftung und des Freundes- und Förderkreises des Ostfriesischen Landesmuseums e. V.
Die Sammlung dokumentiert den hohen Standard der heimischen Gold- und Silberschmiedekunst, vor allem im Bereich des Kleinsilbers. Die Riechdosen stellen ein einzigartiges kulturhistorisches Phänomen und eine regionaltypische Besonderheit dar, ihr Gebrauch ist sonst in Deutschland nur ansatzweise zu beobachten. Im 18. und 19. Jahrhundert erfreuten sie sich als umfassende Modeerscheinung großer Beliebtheit in Ostfriesland. In Gestalt von Fischen oder Muscheln, über Miniaturmöbel bis hin zu den häufigen Eiformen wurden sie in Kleinserien hergestellt und überwiegend von Frauen genutzt.
Dieses einmalige kulturhistorische Erbe, das die bislang 40 Stück umfassende Kollektion der Riechdosen im Emder Museum nun glücklich ergänzt, macht die Emder Sammlung zur größten und bedeutendsten ihrer Art in öffentlichem Besitz in Deutschland.