Ein Rosenheim
Die Frage, wie wir unseren Lebensraum ästhetisch gestalten, treibt nicht erst heute ganze Branchen von Architekten, Handwerkern, Landschaftsplanern bis hin zu Interiordesignern um – auch in der Kunst war und ist sie eine viel gestellte. Hiervon legt auch die Darmstädter Mathildenhöhe beredtes Zeugnis ab, auf der ab 1899 sieben junge Künstler – darunter Joseph Maria Olbrich, Peter Behrens und Hans Christiansen – im Auftrag des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein ein urbanistisches Gesamtkunstwerk entstehen ließen. Die Idee war es, im Rahmen der Ausstellung „Dokument Deutscher Kunst“ (1901) komplett durchgestaltete Wohnhäuser zu errichten, die als „in sich abgeschlossene Kunstwerke […] mit größter Empfindung und Einfachheit einem glücklichen Lebensprinzip zum Ausdruck verhelfen“ (Olbrich) sollten.
Der Maler und Kunsthandwerker Hans Christiansen (1866–1945) hatte seine Villa „In Rosen“ getauft und die Blume zum Leitmotiv seiner Gestaltung in den vielfältigsten Farb- und Formvariationen gemacht. Bis hinein ins Schlafzimmer, wo, wie zeitgenössische Fotografien belegen, als Teil des Gesamtkunstwerks über dem Ehebett der Wandteppich „Schutzengel“ hing. Um 1901 in der Teppichmanufaktur Scherrebek (damals Nordschleswig, Teil des Deutschen Kaiserreichs, seit 1920 Dänemark) gewebt, nimmt der Wandbehang das Rosenmotiv ebenfalls auf. Seit dem Wegzug des Künstlers aus Darmstadt 1912 gilt der Teppich als verschollen; das Haus „In Rosen“ wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nur ein ähnliches Exemplar des Teppichs ist heute überliefert: jenes, das Hans Christiansen dem Gründer der Scherrebek-Manufaktur Pastor Jacobsen überließ. Der Museumsberg Flensburg, das kunst- und kulturgeschichtliche Museum der Stadt, konnte dieses kostbare Unikat nun mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein aus Privatbesitz erwerben.
Der in Flensburg gebürtige Künstler Hans Christiansen gilt als ein bedeutender und vielseitiger Vertreter des Jugendstils in Deutschland. Als einer der „Erstberufenen“ der Darmstädter Sieben, die den Ruhm der Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt ausmachten, gehörte er zur Avantgarde der neuen Stilkunst.
Die Städtischen Museen Flensburg, die u. a. auch die „Sammlungen für den Landesteil Schleswig“ beherbergen, bewahren auch den Großteil des Nachlasses von Hans Christiansen und verfügen zudem über die größte Sammlung an Scherrebek-Teppichen. Mit dem Ankauf des Wandteppichs „Schutzengel“ kann das Haus seine Sammlung in glücklicher Weise erweitern.