Im November 1822 hatte Fürst Nikolaus Borissowitsch Galitzin Beethoven um die Komposition von „un, deux ou trois Nouveaux Quatours“ (ein, zwei oder drei neue Quartette) gebeten, deren Preis Beethoven selbst festlegen durfte – ein unschlagbares Angebot. Beethoven bestimmte Anfang 1823 den Preis für jedes Quartett mit 50 Dukaten. Das erste Quartett versprach er für Ende Februar, spätestens jedoch für Mitte März – wie so oft konnte er das Versprechen nicht halten.
Die Arbeit für das erste seiner Quartette für Galitzin, dasjenige in Es-Dur op. 127, nahm er erst im Mai 1824 auf und schloss es im Januar oder Februar 1825 ab. Das zweite in a-Moll op. 132 entstand relativ zügig unmittelbar danach und war im Juli 1825 fertig. Das dritte und letzte Quartett für Galitzin in B-Dur op. 130 begann er im Mai 1825. Er griff dabei auf Ideen zurück, die schon während der Arbeit zu den beiden anderen Quartetten entstanden, aber nicht genutzt worden waren. So war der vierte Satz, „Alla danza tedesca“, zunächst in einer kürzeren Version für das a-Moll-Quartett gedacht, wurde dort aber ausgesondert und schließlich erweitert für das B-Dur-Quartett verwendet. Zum Jahreswechsel 1825/26 war das Quartett op. 130 fertiggestellt, zu diesem Zeitpunkt mit der großen Fuge als Schlusssatz. Im Januar 1826 konnte eine Abschrift für den Auftraggeber angefertigt und nach St. Petersburg auf den Weg gebracht werden.
Gleichzeitig machte sich das Schuppanzigh-Quartett unter Ignaz Schuppanzigh mit Karl Holz an der Geige, Franz Weiß an der Bratsche und Joseph Linke am Cello an die Proben für die Uraufführung, die am 21. März 1826 im Saal des Musikvereins in Wien stattfinden sollte. Dass man überhaupt mehrere Proben für die Aufführung vorsah, war etwas Besonderes. „Wir probiren immer nur Ihre Quartetten; die Haydnschen u. Mozartschen nicht, sie gehen ohne Probe besser“, stellte Holz fest.
Die Reaktionen auf Beethovens Musik waren nach der Uraufführung geteilt. Man bewunderte gemeinhin alle Sätze bis auf die Schlussfuge, die man nicht verstand. Beethovens Bruder fasste den Effekt am 1. April in Beethovens Konversationsheft treffend zusammen: „von deinem lezten Quartett ist die ganze Stadt voll, alles ist entzückt darüber, die billigen sagen das lezte Stück müße man öfters hören um es zu verstehen, die anderen wünschen daß es ausbliebe, indem [es] zu schwer zu verstehen wäre.“
Auf Initiative des Verlegers Mathias Artaria koppelte Beethoven diese Fuge schließlich aus und veröffentlichte sie separat als Opus 133. Für Opus 130 verfasste er einen neuen Finalsatz. Im Zuge der Druckvorbereitungen zeigte sich Karl Holz (1799–1858) als großzügiger und unermüdlicher Sachwalter für Beethovens Interessen. Sorgfältig las er nicht nur die Stichvorlage Korrektur, sondern anschließend auch mindestens sechs Fahnenkorrekturen. Wohl als Dank dafür schenkte Beethoven ihm seine autographe Niederschrift des 4. Satzes, „Alla danza tedesca“. Das Heft umfasst 15 Seiten Notentext auf neun Blättern. Deutlich kann man Beethovens Arbeitsweise erkennen, denn an zahlreichen Stellen kratzte er mit dem Messer Noten weg, um sie durch neue zu ersetzen, die seiner Idee besser folgten oder bessere Proportionen herstellten. Mit diesem Geschenk begann für das Manuskript eine abenteuerliche Reise, die fast 200 Jahre dauern sollte.
1849 gründete der Geiger und spätere Direktor der Gesellschaft der Musikfreunde Joseph Hellmesberger (1828–1893) ein Streichquartett, mit dem er Abonnement-Konzerte aufführte. Im fünften Konzert der Reihe erklang am 6. Dezember 1849 auch Beethovens Streichquartett in B-Dur op. 130. Der Rezensent der Aufführung in der Wiener Zeitung war begeistert: „Des zahlreichsten und gewähltesten Publicums erfreuen sich mit Recht die Hellmesberger’schen Quartettabende, die an Interesse und -Gediegenheit, wo möglich steigen. So brachte der fünfte Abend (am 6. December) Beethoven’s großes Quartett in B (op. 130), das zu den gewaltigsten, poesiereichsten, aber auch schwierigsten Kammer-Musiken des Meisters gehört, und in Wien bisher Monopol eines kleinen künstlerischen Kreises war. Wir können es Herrn Hellmesberger und seinen drei Mitwirkenden nicht genug danken, dasselbe in die Oeffentlichkeit geführt zu haben, und zwar in einer Vollkommenheit der Ausführung, die jeden Tadel verstummen machte.“ Holz scheint die Begeisterung geteilt zu haben, denn im Nachgang zu dem Konzert schenkte er Hellmesberger das Autograph des 4. Satzes von Opus 130 und versah es auf der letzten, leeren Seite mit einer Widmung: „Meinem Freunde Joseph Hellmesberger zum Andenken an die vortreffliche Aufführung dieses Quartetts am 6. Dezember 1849 Carl Holz“.
Nächster bekannter Besitzer war der Wiener Rechtsanwalt Heinrich Steger (1854–1929). Steger war ein begabter Pianist und engagierte sich ebenfalls in der Gesellschaft der Musikfreunde, ab 1897 als Direktionsmitglied. Wie und wann das Manuskript in seinen Besitz kam, ob er es von Hellmesberger ebenfalls zum Geschenk erhielt oder ob er es kaufte, ist unbekannt. Er besaß mehrere Beethoven-Autographe und veröffentlichte im April 1893 in der Neuen Freie Presse eine Zuschrift: „Es dürfte für Sie die Mittheilung nicht ohne Interesse sein, daß es mir gelungen ist, innerhalb Jahresfrist eine Sammlung sehr bedeutender Manuscripte von Beethoven käuflich zu erwerben, welche theils bereits im Auslande sich befanden, theils ins Ausland verkauft werden sollten. Die Sammlung wird gebildet durch die Manuscripte zu folgenden Werken: Waldstein-Sonate, op. 53, für Clavier; Pastoral-Sonate, op. 28, für Clavier; Violoncell-Sonate, op. 69, 1. Satz; Coriolan-Ouverture, op. 62, Partitur; Streichquartett, C-dur, op. 59; Sieben -Bagatellen für Clavier, op. 33, componirt 1782 [recte: 1801/2]; Liederkreis: ‚An die ferne Geliebte‘, op. 98; Streichquartett, op. 130, ‚Alla danza tedesca‘; Streichquartett, op. 135, 1. Satz (das letzte Werke des Meisters). Wenngleich diese Sammlung in meinem Privatbesitze sich befindet, so bin ich selbstverständlich bereit, die Besichtigung dieser Manuscripte jedem wahren Kunstfreunde zu gestatten. Mit vorzüglicher Hochachtung Dr. Steger, Wien, I., Gonzaga-Gasse Nr. 14.“ Um seine Manuskripte einer potenziellen Öffentlichkeit angemessen präsentieren zu können, ließ Steger sie in unterschiedlich farbigen Seidensamt binden, der mit Messingbeschlägen mit Emaille und Glasperlen verziert war.
Im März 1904 bot er die Handschriften dem Verein Beethoven-Haus in Bonn zum Kauf an. Der Verein entschloss sich nach zähen Verhandlungen dazu, drei der Manuskripte zu erwerben, für die komplette Sammlung fehlten die Mittel. Der 4. Satz von Opus 130 blieb in Stegers Besitz. Nach und nach veräußerte Steger seine gesamte Sammlung, teils über Auktionshäuser, teils direkt an Privatleute, und bis auf Opus 130 gelangten die Autographe bereits in den letzten Jahrzehnten auf unterschiedlichen Wegen ans Beethoven-Haus.
Die „Danza tedesca“ wechselte von Steger in die Hände der Familie Ignaz Petschek (1857–1934) in Aussig (Sudetenland, Tschechoslowakei), die wie Steger Juden waren. Ignaz Petschek hatte zunächst mit Kohlen und Briketts gehandelt und sich mit wachsendem Erfolg auch der Montanindustrie zugewandt. Bis 1930 war er Mehrheitseigner im mitteldeutschen, ostelbischen und rheinischen Braunkohlen-Syndikat und kontrollierte nicht nur den Handel, sondern auch wesentliche Anteile der Produktion. Seine Monopolstellung, sein Reichtum und wohl auch sein unbeugsamer Charakter brachten Petschek medial in Verruf. Die völkische Presse verleumdete ihn als raffgierigen Juden, die Arbeiterpresse als kapitalistischen Ausbeuter. Nur selten blieben die Medien neutral oder berichteten gar über die Verdienste Petscheks, der nicht nur ein Säuglingsheim, einen Kinderpavillon im Aussiger Krankenhaus, ein Tuberkulose-Sanatorium und ein Kindererziehungsheim finanzierte. Die Laudatio, die anlässlich Ignaz Petscheks Goldener Hochzeit im Februar 1934 im Neuen Wiener Journal erschien, ist daher eine Rarität: „I. Petschek ist nicht nur der reichste Mann des Staates, auch seine Seele entspricht seinem Scheckbuch, eine Tatsache, die man sonst bei europäischen Kapitalgrößen selten findet. Hierin erinnert Petschek an die Großzügigkeit und Wohltätigkeit eines Rockefeller oder Vanderbild, wenn auch Petschek schon viel früher enorme Beträge für die Allgemeinheit opferte. […] Ignaz Petscheks Name ist in Wirtschaftskreisen Mitteleuropas wohl bekannt. Ignaz Petscheks und Helene Petscheks Namen sind aber auch in den ärmlichen Stuben des Aussiger Gebietes wohl bekannt. Beide haben nie gefragt, welchen Glaubens der Notleidende war, der bei ihrer Tür klopfte, beide hatten sich trotz der großen, goldenen Mauer, die in mühsamer, rastloser Arbeit aufgetürmt wurde, eines bewahrt: das gute, menschliche Herz.“
Für die Nationalsozialisten waren die Petscheks ein hochrangiges Ziel, nicht nur wegen ihres jüdischen Glaubens. Das ökonomisch schwache Deutsche Reich hatte ein Auge auf die Wirtschaftskraft der Petschek-Gruppe geworfen, die Arisierung des Konzerns wurde zum größten Arisierungsfall des Dritten Reiches. Im September 1938, wenige Wochen bevor das Sudetenland nach dem Münchner Abkommen an Deutschland fiel, emigrierten die Petscheks über Zwischenstationen in die USA. Ihr Hab und Gut, darunter auch das Beethoven-Autograph, hatten sie in Kisten verpackt und einer Spedition in Brünn zur Beförderung übergeben. Im März 1939 wurde auch die restliche Tschechoslowakei von Deutschland annektiert und die deutschen Behörden stellten die Umzugskisten sicher. Das beschlagnahmte Manuskript landete 1942 im Mährischen Museum in Brünn, wohl auch aufgrund der Initiative des Leiters der Musikabteilung des Museums, Jan Racek.
Die Familie Petschek versuchte nach dem Weltkrieg von Amerika aus, ihr Eigentum zurückzuerhalten. Den Fundort des Beethoven-Autographs in Erfahrung zu bringen, stellte eine besondere Herausforderung dar. Bis die Petscheks wussten, dass das Manuskript Brünn nicht verlassen hatte, war die Tschechoslowakei kommunistisch. Die neuen Machthaber lehnten eine Rückgabe kategorisch ab. Als Begründung musste die angebliche deutsche Staatsbürgerschaft der Petscheks herhalten – eine Lüge, da diese zwar deutschsprachig, aber niemals Deutsche waren. Mit dieser Fehlidentifikation fielen sie jedoch unter die Beneš-Dekrete, sodass ihre Enteignung ohne Entschädigung als rechtmäßig betrachtet wurde. Dass man der verfolgten Familie nebenbei vorwarf, sie hätten die Tschechoslowakische Republik verlassen, nicht am Befreiungskampf teilgenommen und auch nicht unter dem Naziterror gelitten, spottet jeder Beschreibung. Erst 2022, über 80 Jahre nach der ersten Enteignung, fand die Unrechtsgeschichte nach langen Verhandlungen ein Ende und die Handschrift wurde den Erben restituiert.
Auf Vermittlung des amerikanischen Beethoven-Forschers Lewis Lockwood nahmen die Nachkommen der Familie im Juli 2023 Verhandlungen mit dem Beethoven-Haus zum Verkauf des Manuskripts auf. Zum Jahresende 2024 konnte das Beethoven-Haus die Handschrift erwerben. Damit ist das Autograph des 4. Satzes des Streichquartetts op. 130 das letzte Manuskript der Steger-Sammlung, das nun seinen Weg in das Beethoven-Haus gefunden hat.