Beuys Rasierspiegel fehlt

Ein alter Rasierspiegel im Zentrum des Bischofswappens? Diese Beigabe auf einer der Bronzetüren des Kölner Doms, eine Intuition seines Schülers, billigte der Künst­ler Ewald Mataré – er war im Jahr 1948 mit der Gestaltung der Türen des Süd­portals des Kölner Doms beauftragt worden. Die technische Ausführung hatte er seinem Meisterschüler Joseph Beuys übertragen, der die Mosaiken und das Relief „Das brennen­de Köln“ fertigte. Der von Beuys eingefügte Spiegel löste sich jedoch nach eini­ger Zeit und wurde – ohne Rücksprache mit den Künstlern – durch einen ein­fachen Mosaikstein ersetzt. Als Joseph Beuys 1980 um einen Beitrag zur Aus­stellung anlässlich der 700-Jahrfeier des Kölner Doms gebeten wurde, monierte der mittlerweile weltberühmte Künstler jedoch das Fehlen seiner persön­lichen „Bei­gabe“ auf der Bischofstür: „Mein Rasierspiegel fehlt“ prangt groß auf einer der eingereichten, auf Fotoleinen aufgezogenen Re­produk­tionen (je 300 x 124 cm) der vier Türen, die Beuys ehemals mitgestaltet hatte. In Beuys’ bild­nerischer Revision „seiner“ Domtüren nimmt er damit ironisch Bezug auf das da­malige „Readymade“, das einen alltäglichen Gegenstand in die künst­lerische Arbeit ein­bezog. Beuys reflektierte für die Aus­stellung des Kölner Museum Ludwig und des Kölnischen Kunstvereins seine künst­lerische Herkunft als Schüler Matarés – und distanzier­te sich durch die Verwendung eigener künstlerischer Aus­drucksmittel zugleich vom Leh­rer: Mit einem ein­gefügten Kreuz in der oft ver­wendeten sogenannten Braunkreuz-Farbe auf der Pfingsttür und einem Filzelement in Form eines halbierten Kreuzes auf der Papsttür kommentiert der Künstler seinen eigenen Werde­gang und die Genese seiner Bildsprache. In der frag­mentarischen Verwen­dung der christlichen Zeichen zeigt sich auch Beuys’ Aus­einandersetzung mit herkömmlicher bildkünst­lerischer Symbolik. Der ur­sprüngliche Spiegel kennzeichnete die aus Beuys’ Sicht verlorene Spiritualität der Kultur des 20. Jahr­hunderts, das halbe Kreuz erscheint als Sinnzeichen einer kulturell ge­spaltenen Welt: Motive und Themen, die zentral zu Beuys’ künstlerischem Kosmos gehören.

Das vierteilige Werk von Joseph Beuys konnte jetzt vom Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. für das Museum Kurhaus Kleve mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunst­stiftung und der Kunststiftung NRW erworben werden.

Das Museum Kurhaus Kleve, das den Nachlass Ewald Matarés bewahrt, eröffnet nun einen neuen Museumsteil, das restaurierte sog. „Friedrich-Wilhelm-Bad“ mit dem ehemaligen Atelier von Joseph Beuys, der in Kleve auch aufwuchs. So kann man zukünftig beide Künstler in einer Gegenüberstellung präsentieren: Der aktuelle Ankauf thematisiert auf eindrucksvolle Weise die Aus­einandersetzung von Joseph Beuys mit seinem künstlerischen Lehrer Ewald Mataré.