Das Mädchen mit dem Perlenhaarnetz

Auf Schloss Georgium in Dessau bei der Übergabe des Gemäldes „Bildnis einer jungen Frau“, zweite Hälfte des 16. Jh., 62 × 52 cm. V.r.n.l.: Dr. Timo Trümper, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Bernd Schäfer, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Prof. Dr. Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Dr. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder; Dr. Norbert Michels, Anhal­tische Gemäldegalerie, Schloss Georgium, Dessau; Klemens Koschig, Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau.
Auf Schloss Georgium in Dessau bei der Übergabe des Gemäldes „Bildnis einer jungen Frau“, zweite Hälfte des 16. Jh., 62 × 52 cm. V.r.n.l.: Dr. Timo Trümper, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Bernd Schäfer, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Prof. Dr. Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Dr. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder; Dr. Norbert Michels, Anhal­tische Gemäldegalerie, Schloss Georgium, Dessau; Klemens Koschig, Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau.

Es war ein kleiner Krimi um große Kisten: Als am 21. August 1946 in der Staatlichen Eremitage in Leningrad Teile der Kunsttransporte der sowjetischen Trophäenbrigaden ausgepackt wurden, hatte sich unter aus Dessauer Privatbesitz, dem Garten Wörlitz und dem Schloss Luisium stammende Gemälde und Graphiken auch eine Kiste mit Werken aus Gotha gesellt. Dieses Wissen aber ging offenbar verloren, sodass fortan das Frauenbildnis eines nord­italienischen Künstlers des 16. Jahrhunderts in Leningrad – wenn auch mit Fragezeichen – als aus Dessau stammend geführt wurde. Als nun im Jahr 1959 1,5 Mil­lionen Kunstwerke aus der ­Sow­jetunion in die DDR zurückkehrten und von der Berliner Museumsinsel aus an die Museen im Land weitergeleitet wurden, gelangte das Bildnis der dunkelblonden Frau mit den graublauen ­Augen und dem perlenbesetzten Haarnetz statt nach Gotha nach Dessau, wo es die folgenden 55 Jahren in der damaligen Staatlichen Galerie Dessau, seit der Wende­zeit Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, ein neues Zuhause fand. Die Gothaer vermissten ihre Florentinerin aus dem 16. Jahrhundert aber so sehr, dass sie die junge Dame sogar als Abbildung in ihren umfangreichen Verlustkatalog aufnahmen, der die vielen schmerzlichen Abgänge der Sammlung in den Kriegswirren und unmittelbar ­danach erfasste. Doch niemandem fiel die Verwechslung auf. Bis ins letzte Jahr: Da nämlich rekonstruierten Regine Dehnel und Ralph Jaeckel, wissenschaftliche Mitarbeiter des Deutsch-Russischen Museumsdialogs, welche Werke aus den in der unmittelbaren Nachkriegszeit abtransportierten Kisten ihren Weg wieder zurück in die angestammten ostdeutschen Sammlungen gefunden hatten. Sie stutzten, als sie schließlich beim Überprüfen der Rückführungsakten im Zen­tralarchiv der Staatlichen Museen zu ­Berlin auf ein Gemälde stießen, das ihnen eigentlich aus Gotha bekannt vorkam – junge Frau, florentinisch, die Bildmaße, die vermutete Künstlerschaft Garofalos, Teile von Inventarnummern –, das Bild aber in der DDR der späten 1950er Jahre fälsch­licherweise nach Dessau geschickt worden war. Ein Blick auf die Abbildung im Katalog und auf das Original in Dessau brachten dann die Gewissheit, dass die junge Dame in Gotha zuhause ist: Im April nahm Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, in Anwesenheit von Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des Deutsch-Russischen Museumsdialogs und Dezernentin der Kulturstiftung der Länder, nun glücklich seine lange vermisste junge Florentinerin in Empfang. Im Gothaer Schloss ist ihr ein Ehrenplatz reserviert, nachdem sie die Restauratoren für ihr großes Comeback wieder hübsch gemacht haben.