Kosmos Begas

Ende 2013 vollendet sich die Verwandlung des ursprünglichen Heimatmu­seums Heinsberg in das Begas Haus Heinsberg, das sich zukünftig zentral der berühmten Künstlerdynastie Begas widmen wird. Die verantwortlichen Wissen­schaftler des Museums geben nun einen ersten Einblick in ihre Neukonzep­tion des Begas Hauses und berichten von einigen herausragenden Neuerwerbungen und Dauer­leihgaben für ihre zukünftige Sammlungspräsentation. Ganz besonders freut sich das Begas Haus auch darüber, dass die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin im Rahmen der Föderalen Programme der Stiftung Preußischer Kultur­besitz als Leihgeber von rund 20 Skulpturen und Gemälden gewonnen werden konnte. Die Kulturstiftung der Länder berichtet in der Anfang März erscheinenden Aus­gabe ihres Magazins „Arsprototo“ über die Neuzugänge, deren Ankauf sie unterstützte oder deren Erwerbung sie glücklich vermitteln konnte.

Ausgehend vom beschaulichen Örtchen Heinsberg in der Nähe von Aachen, wo Carl Joseph Begas d. Ä. (1794–1854) geboren wurde, steigt der rheinische Ein­wanderer Carl Begas in Berlin Anfang des 19. Jahrhunderts zum gefragten Porträt­maler der preußischen Hauptstadt auf und wird dort schließlich preußischer Hof­maler. Ihn und seine Familie, der noch zahlreiche erfolgreiche Künstler ent­springen, kann das Heinsberger Museum zukünftig mit den neuerworbenen Kunst­werken und neuen Dauerleihgaben feiern: Mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder konnten zwei Gemälde von Carl Joseph Begas d. Ä. und dessen ältestem Sohn Oscar Begas angekauft werden. Für Heinsberg ein Glücksfall, tauchen doch von beiden Künstlern Hauptwerke nur noch selten auf dem Kunstmarkt auf. Heinsberg kann nun mit der Erwerbung der „Winzerfamilie“ aus dem Jahr 1850 von Carl Begas, dem „Stammvater“ der Künstlerdynastie, und dem „Urteil des Paris“ seines Sohnes Oscar Begas (1828–1883) aus dem Jahr 1878 seinen Anspruch als deutschlandweit vielseitigste Sammlung zur Künstlerfamilie Begas künftig noch deutlicher unterstreichen.

Unabhängig voneinander gelangten die Gemälde nach Heinsberg. Carl Begas’ Genrestück „Die Winzerfamilie“ galt als verschollen, bevor es 2010 aus Privatbesitz wieder auftauchte. Der renommierte New Yorker Kunsthändler Jack Kilgore prä­sentierte das Gemälde 2011 auf der TEFAF in Maastricht; im nahen Heinsberg löste es sofort entsprechende Begehrlichkeiten aus. Ermutigt durch die Kultur­stiftung der Länder, betrieb Heinsberg den Erwerb und kann nun nach intensiven Verhand­lungen mit dem Galeristen sowie mit zusätzlicher finanzieller Unter­stützung der Sparkassen-Kunst-Stiftung der Kreissparkasse Heinsberg sowie der Kunststiftung NRW den Erwerb dieses herausragenden, großformatigen Gemäldes verkünden.

„Das Urteil des Paris“ von Oscar Begas kam 2011 im Berliner Auktionshaus Leo Spik zum Aufruf, wo das Begas Haus den Zuschlag erhielt. Das Gemälde entstand 1878 unter dem Einfluss mehrerer Italien-Aufenthalte des Künstlers und konnte durch das kurzfristige, entschlossene Handeln der Kulturstiftung der Länder für Heinsberg erworben werden. Auch in diesem Fall wurde die Sparkassen-Kunst-Stiftung als weiterer Förderer gewonnen.

Die Ankäufe wurden im November 2011 durch drei (kürzlich in der lokalen Presse ausführlich vorgestellte) Neuerwerbungen im Bereich der Skulptur gekrönt: Mit Unterstützung der Kultur­stiftung der Länder gelangten aus Berliner Privatbesitz zwei Gipstondi aus dem Atelier von Reinhold Begas (1831–1911), dem als Bildhauer des Kaiserhauses zu Ruhm gelangten drittältesten Begas-Sohn, nach Heinsberg: „Die Tränkung Amors“ und „Venus auf dem Tauben­wagen“, beide nach einem 1867 gefertigten Modell geschaffen. In Marmor führte Begas die Tondi für die Villa des Bankiers Mendelssohn aus; die Originale sind verschollen. Somit sind die Heinsberger Gipse, neben einem Exemplar in der Alten Nationalgalerie Berlin, die einzigen Zeugnisse dieses bedeutenden Auftrags.

Ein weiteres Werk, Reinhold Begas’ Marmorskulptur „Pan als Lehrer des Flöten­spiels“ von 1868, konnte nach seiner Entdeckung in Mailand auf Vermitt­lung der Kulturstiftung der Länder durch die Ernst von Siemens Kunststiftung auf der Ver­steigerung des Berliner Auktionshauses Villa Grisebach am 23. November 2011 er­steigert werden; sie steht dem Begas Haus zu­künftig als Leihgabe zur Ver­fügung. Es handelt sich um ein hochrangiges Werk aus Begas’ früher, vom römischen Barock inspirierten Schaffensphase, in der er die Gestalten der antiken Mythologie in einer innig-intimen Zweiergruppe bannte.

Bei Reinhold Begas zeigt sich Pan nicht als wollüstiger Ziegenbock, sondern er­scheint mit ruhigem, bedächtigem, besonnenem Antlitz: Und doch lassen die kraftvoll aus der Komposition herausragenden Bocksbeine keinen Zweifel daran, dass Pan auch an­ders kann. Stupend, ja malerisch behandelt Begas seine Ober­flächen, rauh und un­behauen erscheint das Material, geradezu kühn bleiben Grate, Löcher und Spu­ren von Bohrer und Flacheisen im Marmor stehen und erwecken so ein reiches Spiel von Licht und Schatten. Begas’ „Pan“ ist gleichsam der humoristisch-individuelle Auftakt einer künstlerisch befreiten Hinwendung zu einem spielerischen Neu­barock, unbelastet von den Folgen idealistischer Antikenrezeption.

Das vormalige Kreismuseum Heinsberg wurde 1927 als klassisches „Heimatmu­seum“ begründet. Die heterogene Sammlung wurde im Wesentlichen durch das geprägt, was Privatleute zu schenken bereit waren. Der Bestand war vorrangig stadt- und regionalgeschichtlich orientiert, eine thematische Gewichtung stand zum damaligen Zeitpunkt noch nicht im Vordergrund, sondern die Bewahrung des „Alten“ und die Darbietung für die örtliche Bevölkerung. Nach der Zerstörung des ersten Museums 1944 wurde aus dem Nichts eine neue Sammlung aufgebaut und 1949 im sogenannten Torbogenhaus untergebracht, einem historischen Bürgerhaus des 16. Jahrhunderts. Der mehrfach überformte Bau, eines der wenigen erhaltenen Baudenkmale Heinsbergs, diente ursprünglich als Rentmeisterei des Jülicher Amtes Heinsberg und ab 1798 als Rathaus der Stadt. Zu Beginn der 1950er Jahre gelang es dem damaligen ehrenamtlichen Museumsleiter August Lentz, in der schwierigen und finanziell beengten Phase des Wiederaufbaus den Grundstock zur heutigen Sammlung mit Werken des gebürtigen Heinsbergers und preußischen Hofmalers Carl Joseph Begas d. Ä. zu legen. Mit der Ausstellung „Carl Joseph Begas (1794-1854) – Blick in die Heimat“ aus Anlass des zweihundertsten Geburtstages im Jahr 1994 wurde der Aufbau der Begas-Sammlung in Heinsberg kontinuierlich weiter verfolgt.

Ehemals war auch das angrenzende, im Kern ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammende „Haus Lennartz“ Teil des Gebäudekomplexes. Der Erwerb dieses Hauses durch die Stadt Heinsberg im Jahre 2009 gab den Impuls, die historisch zusammengehörenden Gebäude mit Hinblick auf städtische Nutzung einerseits und auf ein zukunftsfähiges neues Ausstellungs­konzept andererseits zu verwenden. Mit der Neueinrichtung des Museums als Begas Haus, Museum für Kunst und Regionalgeschichte Heinsberg, kann sich das Museum mit den spektakulären Neuerwerbungen ab Ende 2013 als bundesweit bedeutendste Sammlung zur Künstlerfamilie Begas präsentieren.