Brücken bilden
Der Deutsch-Russische Museumsdialog hat eine kulturpolitische und auch eine fachliche Seite. Wenn Sie zurückblicken, wer hat am meisten davon profitiert?
Sicherlich die fachliche Seite, denn die politischen Auseinandersetzungen werden auf Regierungsebene geführt: Durch die Erforschung der Verlustgeschichten der einzelnen Museen in Deutschland wie Russland haben die Projekte des Deutsch-Russischen Museumsdialogs (DRMD) zur Differenzierung der Verlustgeschichte enorm beigetragen. Ein wichtiges Ergebnis unserer Forschungen – und das ist natürlich dann auch ein kulturpolitisch relevantes Ergebnis – besteht darin, dass sich heute nicht alle deutschen Verluste auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden: Wir konnten im Rahmen unserer Forschungen nachweisen, dass es durchaus viele innerdeutsche Verlagerungen und auch Zerstörungen größeren Ausmaßes gegeben hat bzw. Teile von Sammlungen durch private Mitnahmen abhandengekommen sind und sich noch heute in Privatbesitz befinden müssen. Gleichzeitig tragen wir durch unsere Forschungen zu den russischen Sammlungen dazu bei, dass aus deutschem Privatbesitz immer wieder in letzter Zeit Rückgaben an die russischen Museen stattfanden. Ganz besonders freut mich, dass wir zwei Objekte an die Museen in Nowgorod anlässlich unserer Festveranstaltung zu 10 Jahre DRMD übergeben können.
Hat sich das Verhältnis zwischen deutschen und russischen Museen auch insgesamt verändert. Die Neunzigerjahre waren überschattet vom Streit um die Beutekunst, heute hat man das Gefühl, dass das Thema zwar nicht zu lösen ist, aber sich die Zusammenarbeit enorm intensiviert hat. Teilen Sie diese Haltung?
Ja. Wir arbeiten vertrauensvoll mit vielen russischen Kollegen zusammen, wenn es um die Aufklärung der Geschichte der Museen im Zweiten Weltkrieg geht. Dazu ist das Interesse und die Bereitschaft in beiden Ländern stärker als je zuvor. Auch zeigen die vielen Ausstellungskooperationen, dass man das Thema einer breiten Öffentlichkeit vermitteln möchte. Es herrscht kein Streit um die Beutekunst auf fachlicher Ebene. Wir wollen alle wissen, was sich in den Museen während und nach dem Krieg abspielte und was wir über die Schicksale der Kunstwerke heute noch erzählen können.
Der Gedanke, über die Bestände aufzuklären, spielt eine große Rolle im Museumsdialog. Sehen Sie hier einen Fortschritt zu den beschriebenen Neunzigerjahren?
Das wichtigste sind Transparenz und Aufklärung. Das klingt abstrakt, füllt sich bei uns aber mit Leben in einer mittlerweile enorm angewachsenen Datenbank, in der unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern alle Erkenntnisse aus Archiven, privaten Aufzeichnungen, Zeitzeugenberichten und besonders den von uns ausgewerteten Aktenbeständen der sowjetischen Trophäenkommission bündeln. Hier entsteht ein Gedächtnis der Verlustgeschichte der betroffenen deutschen Museen, das für die Provenienzforscher von unschätzbarem Wert für die dezentralen weiteren Forschungen in den Museen sein wird. Gleichzeitig untersuchen wir das Vorgehen des Kunstschutzes der deutschen Wehrmacht und der SS-Verbände beim Kunstraub in der Sowjetunion bzw. versuchen wir die Geschichte der russischen Museen im Krieg zu rekonstruieren. Denn hier ist noch viel zu wenig über das organisierte Vorgehen von Wehrmachtsangehörigen bekannt.
Das Verhältnis zu Russland hat sich nach der Ukraine-Krise deutlich abgekühlt. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund den Deutsch-Russischen Museumsdialog? Was kann er insgesamt bewirken?
Besonders in Krisenzeiten ist es Aufgabe der Kultur, eine Brücke zu bilden. Dass uns dies mit dem Deutsch-Russischen Museumsdialog gelungen ist, zeigen nicht nur die hohen Teilnehmerzahlen aus Deutschland wie Russland zu unserer Jubiläumsveranstaltung, sondern auch die hervorragenden Arbeitsbeziehungen zu unseren russischen Kollegen.