Von Matrosen, Gelehrten und Reformatoren
Unter der Leitung seines Vorsitzenden, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering, hat der Stiftungsrat der Kulturstiftung der Länder auf seiner Sitzung am 24. November 2016 in der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin u. a. beschlossen, 13 bedeutende kunst- und kulturhistorische Ausstellungsvorhaben in Deutschland mit insgesamt 950.000 Euro zu fördern. Die 16 Länder stellen seit 2009 jährlich Mittel bereit, um über die Kulturstiftung der Länder wichtige Ausstellungsprojekte von überregionaler Ausstrahlung zu unterstützen. Kriterien für eine Förderung sind darüber hinaus: Die Ausstellungen sollen aus der eigenen Sammlung entwickelt und interdisziplinär erarbeitet sein sowie besucherorientiert präsentiert und vermittelt werden; wissenschaftliche Ergebnisse sollen dauerhaft wirksam bleiben.
Bei den erwähnten Ausstellungstiteln handelt es sich teilweise noch um Arbeitstitel.
Eine Auswahl der beschlossenen Ausstellungsförderungen
2018 jährt sich der Kieler Matrosenaufstand von 1918 zum hundertsten Mal. Das Stadt- und Schifffahrtsmuseum Kiel zeigt anlässlich dieses Jubiläums in Kooperation mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Ausstellung „Die Stunde der Matrosen. Kiel und die deutsche Revolution 1918“. Der Kieler Matrosenaufstand wird als Schlüsselereignis der deutschen Geschichte unter kunst- und kulturhistorischen Aspekten betrachtet: Der Aufstand ebnete den Weg für eine politische Massenbewegung, die das Ende des Ersten Weltkriegs forderte und demokratische Alternativen zur Monarchie verlangte. So war der Kieler Aufstand ein Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Demokratie. Erstmals dokumentiert und erforscht die Ausstellung die historischen Ereignisse des Kieler Matrosenaufstandes von 1918, ihre Vorgeschichte und Folgen mit einem multiperspektivischen Ansatz. Gezeigt werden historische Originalobjekte und Dokumente, Inszenierungen und interaktive Medienpräsentationen, die die Ereignisse in Kiel und im Deutschen Reich nachzeichnen. Laufzeit: 6.5.2018 bis 3.3.2019
Mit der Ausstellung „Jeanne Mammen. Die Retrospektive“ würdigt die Berlinische Galerie die Malerin und Zeichnerin Jeanne Mammen (1890–1976). Seit ihrer Gründung hat sich die Berlinische Galerie für die Künstlerin engagiert und kann deshalb wichtige Werke in ihrem Sammlungsbestand verzeichnen. Die Retrospektive stellt nicht nur Mammens Werke aus den späten 1920er Jahren vor, sondern präsentiert Hauptwerke der kubofuturistischen Malerei während der NS-Zeit und legt ein besonderes Augenmerk auf die Jahre nach 1960. Während im Kubofuturismus gegenständliche Motive häufig in zylindrische Formen zerlegt wurden, ist Mammens Spätwerk von skurril-abstrakten Malereien sowie Collagen geprägt. Ziel der Ausstellung ist eine dialektische Verbindung von Lebens- und Werkentwicklung der Künstlerin, die sich nicht auf bestimmte Stilepochen festlegen lässt. Die Retrospektive der Chronistin des Berliner Lebens lädt dazu ein, ihr Gesamtwerk neu zu bewerten: Jeanne Mammens siebzig Jahre umfassendes, stilistisch höchst heterogenes malerisches und zeichnerisches Werk führt die politischen und künstlerischen Erschütterungen des 20. Jahrhunderts exemplarisch vor Augen. Laufzeit: 6.10.2017 bis 29.1.2018
Erstmals widmen sich die Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen Schloss Gottorf mit der Ausstellung „Die Reise ins Morgenland. Von Gottorf in die Welt“ der Persienreise des Gottorfer Universalgelehrten Adam Olearius. Auf Geheiß des Herzogs Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf reiste Olearius von 1635 bis 1639 mit einer Gesandtschaft über das Baltikum und Russland nach Isfahan, um neue Handelskontakte zu knüpfen. Wirtschaftlich ein Fiasko, war die Reise für das Fürstentum dennoch von enormer kulturhistorischer Folgewirkung: Olearius‘ Reisebericht „Beschreibung der Orientalischen Reise“ galt bis ins 19. Jahrhundert als Standardwerk über Persien; beseelt von unstillbarem Wissenshunger richtete Olearius in Gottorf zudem eine Kunstkammer ein und konzipierte den Gottorfer Riesenglobus, das erste begehbare Planetarium der Welt. So wie Olearius einst die Welt und sogar den Kosmos nach Gottorf brachte, vermittelt die Ausstellung Toleranz und Wissbegierde als Schlüssel zu Welt und Wissen. Anhand von originalen Ausstellungsobjekten und in Kooperation mit Museen in Tallinn und Teheran wird Olearius‘ Neugier und Lust auf das Fremde erfahrbar gemacht. Laufzeit: Juni bis Oktober 2018
Mit der Ausstellung „Dialog der Konfessionen – Bischof Julius Pflug und die Reformation“ stellen die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und das Kollegiatstift Zeitz zwei kirchenpolitische Protagonisten der Reformationszeit vor: den streitbaren und weltweit ersten evangelischen Bischof Nikolaus von Amsdorf und den vermittelnd tätigen und reichsweit populären Kirchenpolitiker Julius von Pflug, den letzten katholischen Bischof des Bistums Naumburg. Dabei nimmt die Ausstellung die Entwicklung einer Koexistenz beider Konfessionen in den Blickpunkt und widmet sich den Momenten der Abgrenzung und des Konflikts, aber auch den ersten Ansätzen eines „Ökumenischen Denkens“ von Altgläubigen und den Anhängern der Reformation. Laufzeit: 5.6. bis 1.11.2017
Die stetig wachsende Zahl medial reproduzierter Gesichter hat den Blick auf das Gesicht sowie den Umgang mit Bildern von Gesichtern grundlegend verändert. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden geht dieser These mit der Ausstellung „GESICHTER“ nach und untersucht dabei interdisziplinär die Geschichte des Körpers und der Kosmetik in der umfangreichen Sondersammlung Schwarzkopf. So werden u.a. Anleitungen zur Gesichtspflege und Apparaturen wie ein Gesichtsbügeleisen einen wichtigen Ausgangspunkt für die Darstellung von Geschichte und Gegenwart der Kosmetik bilden. Des Weiteren konzentriert sich die Ausstellung auf Formen der Inszenierung von Individualität, auf die Vermessung von Idealgesichtern und die Erforschung der Mimik sowie aktuellen Fragen zur Privatsphäre und zum Recht am eigenen Bild. Laufzeit: September 2017 bis Februar 2018
Mit einer auf das Reformationsjubiläum 2017 konzipierten Landessaustellung unter dem Titel „Der Meister von Meßkirch – Katholische Pracht in der Reformationszeit“ würdigt die Staatsgalerie Stuttgart den Meister von Meßkirch. Obgleich dessen Name, Herkunft und Ausbildung im Dunkeln liegen, gehört er zu den interessantesten deutschen Künstlern im 16. Jahrhundert. Ausgehend vom 2013 mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder erworbenen Wildensteiner Altar ist das Ziel der Ausstellung, einen Großteil der erhaltenen, heute in Museen und Privatsammlungen Europas und der USA verstreuten Tafelbilder und Zeichnungen des Meisters von Meßkirch zusammenzuführen. Die Ausstellung vermittelt einen differenzierten Eindruck von den künstlerischen Ausdrucksformen im Zeitalter der Reformation: verglichen werden die auf Ikonografie fokussierten Tafeln des Meisters von Meßkirch mit Werken reformatorischer Prägung, wie etwa den durch das Bündnis Kunst auf Lager restaurierten Gothaer Flügelaltar. Das inhaltlich Trennende wie auch das formal Verbindende werden so gleichermaßen erhellt. Laufzeit: 8.12.2017 bis 2.4.2018
Weitere von der Kulturstiftung der Länder geförderte Ausstellungen
Museum Wiesbaden
Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff – Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…
27.10.2017 bis 24.2.2018
Frankfurter Goethe-Haus
Füsslis Nachtmahr. Traum und Wahnsinn
19.3. bis 18.6.2017
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Potsdam
Reformation und Freiheit. Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg
8.9.2017 bis 7.1.2018
Museum der bildenden Künste Leipzig und Kunsthalle zu Kiel
Nolde und die Brücke
12.2. bis 18.6.2017 und 18.11.2017 bis 2.4.2018
Magdeburger Museen, Magdeburg
Das Magdeburger Recht und die europäischen Städte des Mittelalters
September 2019 bis Februar 2020
Klassik Stiftung Weimar
Winckelmann. Antike Moderne
7.4. bis 2.7.2017
Lehmbruck Museum, Duisburg
TXT. Jochen Gerz: (K)Eine Retrospektive
Oktober 2018 bis Januar 2019