Meisterhafte Maria

Die Reformation erfasste im 16. Jahrhundert bereits weite Teile Württembergs, während der fromme Graf Gottfried Werner von Zimmern eisern dem alten Glauben treu blieb: Emsig tätigte der Katholik Stiftungen für sein Seelenheil, engagierte einen Altarmaler und überhäufte ihn mit Aufträgen. Malerisches Glanz­stück des – heute nur als Meister von Meßkirch bekannten – Künstlers ist der hervor­ragend erhaltene Wildensteiner Altar von 1536. Die Staatsgalerie Stuttgart präsen­tiert nun dieses kostbare Klappretabel, nachdem 2013 dem Land Baden-Württemberg mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung die spektakuläre Erwerbung eines Konvoluts aus der Donaueschinger Sammlung der Fürsten zu Fürstenberg gelang.

Der lediglich 68 cm hohe Altar schmückte zur Privatandacht die Kapelle des Schlosses Meßkirch, dem Stammsitz der Familie von Zimmern. Im geöffneten Zustand läutet die Mitteltafel das traditionelle Bildpro­gramm ein: Maria schwebt als Königin des Himmels auf einer Mondsichel, um sie scharen sich 14 Nothelfer. Lebhafte Details bereichern das zentrale Motiv: So krallt sich die Hand des Kindes ängstlich in den Lockenbart von Christophorus, während zwei Engel Maria unter Kraftanstrengung krönen. Dieser heiligen Szene wohnen der Stifter Gottfried Werner von Zimmern und seine Gemahlin Gräfin Appollonia zu Henneberg auf den Innenseiten der Drehflügel bei. Der Graf in Ritter­rüstung mit gelüftetem Visier, die Gräfin in schwarzer Kleidung – kniend verziehen die Frommen keine Miene. Die prunkvolle Architektur im Hintergrund überrascht durch ihre renaissancehafte Gestalt: ein modern anmutender Kontrast zur konservativ spätgotischen Symbolik. Im geschlossenen Zustand offenbart der Altar die Rührung und Dramatik der Passionsgeschichte. Unter Tränen verabschiedet Maria auf der linken Tafel ihren Sohn, gebrochen vom Seelenschmerz. Auf den mittleren Drehflügeln reißt Christus seine Arme zum letzten Gebet nach oben, bevor er auf der rechten Tafel von seinen Peinigern gefesselt und davongezerrt wird.

Über den Meister von Meßkirch ist bis heute nichts Biographisches bekannt. Seine Altartafeln jedoch gelten als letzte, überaus kunstvolle Zeugnisse einer verschwin­denden katholischen Bild­tradition. Die Erwerbung des Wildensteiner Altars ermög­licht den Besuchern nun, sich dauerhaft von diesem nicht nur regionalgeschichtlich hochbedeutenden Meister­werk altdeutscher Malerei faszinieren zu lassen.