Mekka der Karikatur
Als Meister der Zeichenfeder in einem satirischen Kosmos aus Linien und Strichen rückt er der Gesellschaft auf den Leib: Ronald Searle, 1920 im englischen Cambridge geboren, gilt als „Inbegriff eines freien Künstlers“ (FAZ) – ein Zeichner, der das Leben und die Menschen liebt, aber keine Tabus kennt und seine kritische Meinung nicht für sich behält. Mittlerweile blickt Ronald Searle auf ein 75-jähriges, reiches und vielseitiges Schaffen als Karikaturist, Reportagezeichner, Illustrator, Autor, Werbegrafiker und Trickfilmzeichner zurück.
Der jetzt für Hannover angekaufte Vorlass des Zeichners ist ein spektakulärer Coup für Niedersachsen: 41 Kisten mit über 2.000 Zeichnungen und mit Skizzenbüchern aus allen Schaffensperioden des Künstlers, mit Dokumenten und Zeugnissen zu seinem Werk und zu seinem bewegten Leben hat die Stiftung Niedersachsen mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung im Verbund mit der Sparkasse Hannover, der Nord/LB und den VGH Versicherungen sowie des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der Landeshauptstadt Hannover erworben und dem Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst – Wilhelm Busch in Hannover als Dauerleihgabe übergeben.
Hannover wird damit zum Mekka der satirischen Kunst der Moderne: Ronald Searle zeichnete für namhafte Verlage, so ab 1946 für den traditionsreichen Punch, wo er in seinen Satiren ein facettenreiches Sittenbild der englischen Gesellschaft entwarf. In der Folge arbeitete er auch für fast alle großen Zeitschriften und Magazine in England und Amerika, u. a. für Herald Tribune oder The New Yorker; noch bis 2008 zeichnete er politische Karikaturen für die französische Tageszeitung Le Monde. Daneben illustrierte er die Ausgaben zahlreicher englischer Klassiker wie beispielsweise Bücher von Charles Dickens. Seine satirische, fast sarkastische Sicht der Dinge, Searles spöttischer Blick auf die Eitelkeiten und das Imponiergehabe der Menschen fanden früh Gefallen bei Zeitungen und Magazinen. Den britischen Karikaturisten hatten sieben Jahre als Soldat im Zweiten Weltkrieg, davon vier Jahre in japanischer Kriegsgefangenschaft, geprägt. Stets mit Stift und Papier ausgerüstet, zeichnete er damals den Alltag der Soldaten – nicht nur zur Dokumentation, sondern auch, um das Erlebte zu verarbeiten, als Überlebensstrategie.
Searle dokumentierte später beispielsweise den Adolf-Eichmann-Prozess in den frühen 1960er Jahren in Jerusalem mit intimen, teilweise schonungslosen Porträts des Angeklagten, der Zeugen und Richter sowie mit berührenden Szenen aus dem Zuschauerraum, wo die Angehörigen mit den Tränen rangen. Im Gegensatz zu seinen ernsten Zeichenarbeiten tritt sein unverblümter Humor in den vielseitigen Karikaturen und Satiren zutage, bevölkert gerne auch von einem liebenswerten, vergnüglichen Bestiarium aus Vögeln, Schweinen oder Katzen.
Der englische Künstler ist dem Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst – Wilhelm Busch nicht nur durch frühere Ausstellungen eng verbunden: Ende der 1990er Jahre hat er dem Museum einen ersten, kleinen Teil seines persönlichen Archivs mit zahlreichen Skizzen und Korrespondenzen mit Künstlern, Verlegern und Journalisten übergeben. Zugleich konnte das Museum die von ihm und seiner Ehefrau Monica zusammengetragene bedeutende Sammlung historischer Karikaturen und seine Bibliothek zur Geschichte und Theorie der Karikatur erwerben.
Das Museum zeigt die Ausstellung „What? Already?!“ Ronald Searle zum 90. Geburtstag noch bis zum 27.3.2011. Die große Jubiläumsausstellung präsentiert darin auch die schönsten Stücke aus dem jetzt glücklich nach Hannover gelangten Vorlass des weltberühmten Zeichners.