In Liebermanns Garten

Es ist ein sonniger Tag im Jahr 1919, der Garten des Anwesens in der Berliner Colomierstraße erstrahlt in üppiger Blütenpracht, Max Liebermann steht im Grünen und fängt mit schwungvollem Pinselstrich den Sommer ein: Das Gemälde „Blick aus dem Nutzgarten nach Osten auf den Eingang zum Landhaus” versprüht heute noch die lebendige Frische des flüchtigen Moments seiner Entstehung. Mit dem Bild erwirbt die Liebermann-Villa am Wannsee nicht nur ein frühes, qualitätsvolles Meisterstück aus der letzten Schaffensphase des Künstlers, sondern auch gewissermaßen das Kernstück ihres musealen Sammlungskonzeptes.

Max Liebermann, Blick aus dem Nutzgarten nach Osten auf den Eingang zum Landhaus, 1919, 50,5 × 75,5 cm; Liebermann-Villa am Wannsee © Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V./ Foto: Karen Bartsch
Max Liebermann, Blick aus dem Nutzgarten nach Osten auf den Eingang zum Landhaus, 1919, 50,5 × 75,5 cm; Liebermann-Villa am Wannsee © Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V./ Foto: Karen Bartsch

Max Liebermann (1847–1935), Maler von Arbeiterszenen, Porträtist des großbürgerlichen Lebens und Wegbereiter des deutschen Impressionismus, widmete seine letzten Schaffensjahre dem Garten seines Sommerdomizils. Wie Claude Monet – der in seinem Künstlergarten im nordfranzösischen Giverny mit zahlreichen Variationen des Seerosenteichs Inkunabeln des Impressionismus schuf – frönte Liebermann der Freilichtmalerei und rang seinem Gartenreich Perspektive um Perspektive ab: Zu mehr als 200 Gemälden sowie Grafiken und Pastellen inspirierte ihn sein „Klein-Versailles“, wie er die 1909 am Wannsee erbaute Residenz mit gartenarchitektonisch gestalteten Heckengärten, Blumenarrangements und Birkenhain nannte. Die 50,5 x 75,5 cm messende Neuerwerbung der Liebermann-Villa zeigt den Weg zum Eingang des Landhauses, flankiert von Rittersporn und Stockrosen, Buchsbaumkugeln und Lindenhochhecke. Malerisch mutig abstrahiert Liebermann das Motiv des Gemäldes. Die Bepflanzung fügt sich aus breiten Schlieren verschieden getönter Ölfarben zu sattem Grün; rote und blaue Inseln von pastoser Textur erwecken den Eindruck, als tanzten Sonnenstrahlen auf den Blütenkelchen: ein Zeugnis für die experimentierfreudige Maltechnik, die für Liebermanns Spätstil charakteristisch ist.

Das mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und Spenden der Familie Oppenheim erworbene Paradebeispiel impressionistischer Malerei bildet nun das Herzstück der Liebermann-Villa. Mit ihrer Sammlung von Gartengrafiken und -gemälden des Künstlers ergibt sich bereits ein reizvolles Wechselspiel von Malerei und Natur: Mit der Erwerbung – einer aus dieser Zeit selten erhaltenen Ansicht des Nutzgartens – wird für den Museumsbesucher, der das Bildmotiv zum Eingang des Museums durchschreitet, die Unmittelbarkeit der künstlerischen Inspiration wieder lebendig.