Dein alter Max

Dass Max Pechstein die moderne Kunst viel zu modern war und er den Pariser Salon des Indépendants nach einem Ausstellungsbesuch 1908 mit „ganz wahnsinnigen Kopfschmerzen“ verließ, ist erstaunlich – galt doch die farbintensive Malerei des Brücke-Mitglieds bislang als maßgeblich inspiriert vom französischen Fauvismus: Manch unbekannte Einblicke in das Leben und die Gedankenwelt Max Pechsteins (1881–1955) liefern die von den Kunstsammlungen Zwickau erworbenen rund 120 Schriftstücke des Malers an den Suhler Künstler Alexander Gerbig (1878–1948). In der kostbaren Korrespondenz – das Zeugnis einer lebenslangen Freundschaft – berichtet der Expressionist seinem heute fast vergessenen Künstlerkollegen kunsthistorisch aufschlussreich unter anderem von der gemeinsamen Studienzeit an der  Kunstgewerbeschule in Dresden, seinen Paris- und Italienreisen, dem Zerwürfnis mit der Künstlergruppe Brücke und seinem rasanten Aufstieg zum gefeierten Malerstar der Weimarer Republik.

Max Pechstein, Illustrierter Brief vom 18. März 1914 aus Berlin an Alexander Gerbig, Suhl; Kunstsammlungen Zwickau © 2014: Pechstein-Hamburg/Tökendorf
Max Pechstein, Illustrierter Brief vom 18. März 1914 aus Berlin an Alexander Gerbig, Suhl; Kunstsammlungen Zwickau © 2014: Pechstein-Hamburg/Tökendorf

Graphische Glanzlichter der Briefsammlung bilden die rund 30 Tusche- und Federzeichnungen, mit denen Pechstein seine Briefe und Postkarten würzt: Mit einem unverwechselbaren Gespür für die Ästhetik der Skizze illustriert er Gerbig das Gesehene, lässt den Suhler Künstlerkollegen mittels markant konturierter Vorstudien an der Entstehung neuer Bildideen teilhaben und vermittelt mit eindringlichen Zeichnungen seine dramatischen Erlebnisse als Soldat in den Kriegslagern und an der Front im Jahr 1916.

Die mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Zwickauer Energieversorgung aus Privatbesitz erworbenen kreativen Grüße des Maler-Rebellen vereinen sich in den Kunstsammlungen Zwickau mit den Gerbig-Gegenbriefen und ergänzen zudem den dortigen Pechstein-Bestand: Die Sammlungen verfügen neben Gemälden und Graphiken Pechsteins über den größten Autographen-Schatz des Künstlers und festigen mit der umfangreichen Gerbig-Pechstein-Korrespondenz ihren Ruf als zentrale Forschungsstelle zum Werk des Expressionisten. Im neu eingerichteten Max-Pechstein-Museum – mit dem die Kunstsammlungen den berühmtesten Sohn der Stadt ehren – wird eine Auswahl der Künstlerpost sowie von Gemälden und Graphiken der beiden Freunde in der Ausstellung „Mein lieber Alex … Dein alter Max. Max Pechstein und Alexander Gerbig“ erstmalig präsentiert.