Zu Hause bei Hartmanns

Johann Friedrich August Tischbein, Bildnis der Louise von Anhalt, 1797, 94 x 72 cm; Kulturstiftung Dessau-Wörlitz
Johann Friedrich August Tischbein, Bildnis der Louise von Anhalt, 1797, 94 x 72 cm; Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

Blass und zerbrechlich wirkt sie: Auf eine Gartenbank gestützt, richtet sich ihr Blick in eine – vielleicht unerreichbare – Ferne. Das Motiv eines Baum­stamms mit stattlichem Umfang kündet trotz des privaten, ja sogar intimen Moments der Dar­stellung von der adligen Herkunft der Porträtierten. Mit der einen Hand an der Lehne hält Louise von Anhalt-Dessau ihr Gleichgewicht, während sie mit der ande­ren ihre Gewänder zusammenrafft. Den melancholischen Blick richtet sie am Be­trachter vorbei – hinweg auch über die Grenzen des sie umgebenden Dessauer Gartenreichs. Inmitten dieser Idylle posiert Louise von Anhalt 1797 für den Hof­maler Johann Friedrich August Tischbein – den einzigen deutschen Por­trät­maler der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der auch im Ausland Geltung besaß.

Der Schöpfer des Gartenreichs Dessau-Wörlitz, Fürst Franz von Anhalt-Dessau, ließ eigens für seine Gemahlin Louise in der weitläufigen Landschaft einen Land­sitz, das Luisium, anlegen. Doch die gebildete Adlige fühlte sich beengt: Der Hof­alltag unterfor­derte sie, ihre politisch motivierte Ehe verlief emotional eher un­glücklich. Louise begann, die Welt außerhalb des Gartenreichs zu entdecken – spä­testens nach ihren ersten Auslandsreisen dominierte Fern­weh das Leben der 1807 zur Herzogin ernannten Louise von Anhalt-Dessau. Es zog sie wiederholt nach Südwestdeutsch­land, in die Schweiz, nach England und Italien. Auf einer dieser Reisen machte sie 1798 – ein Jahr nach der Entstehung des Porträts – die Bekannt­schaft der wohlha­benden Familie Hart­mann in Stuttgart. Hier fand die physisch und psychisch an­fällige Louise Zuflucht und menschliche Wärme – für sie wie eine Befreiung aus ihrem in engen Grenzen verlaufenden Hofdasein. Zu ihrer Zeit ein Skandal – sie lebte schließlich sogar fast zwei Jahre bei der Stuttgarter Fa­milie. Damit bekräftigte sie nicht nur ihre ideelle, sondern auch ihre räumliche Trennung vom Hause Anhalt. Louise, die den Vater des Hauses, Hofrat Johann Georg Hart­mann, sogar „Pappa“ rief, schöpf­te Kraft aus dem herzlichen und fami­liären Klima. Zum Dank für diese wichtige Zeit schenkte sie schließlich ihrer „Ersatzfamilie“ wahrscheinlich im Jahr 1802 das „Bildnis der Louise von Anhalt“ von Tischbein.

Nachdem sich das Bild anschließend über 200 Jahre lang im Besitz der Familie Hartmann befand, entschieden sich jetzt die Nachfahren zum Ver­kauf. Es gelang der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz mit Unterstützung der Kultur­stiftung der Län­der, des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt und der Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs e.V. das Bild auf einer Wiener Auktion zu erwer­ben. Damit kommt erstmals ein Werk Tischbeins in die Sammlung der Kultur­stiftung Dessau-Wörlitz – es kehrt an Louises Geburtstag, dem 24. September, zurück ins Gartenreich in Dessau auf ihren Landsitz, das Luisium.