Ysenburgs Interieur
Formvollendetes Design gepaart mit funktionaler Raffinesse: Der Name Roentgen stand im 18. Jahrhundert europaweit für Luxusmöbel von erlesenster Qualität. Ob die russische Zarin Katharina die Große, der französische König Ludwig XVI. oder Friedrich Wilhelm II. von Preußen – sie alle ließen sich mit exquisiten Sekretären und Verwandlungstischen aus der Neuwieder Möbel-Manufaktur von Abraham und David Roentgen beliefern. Mit dem „Ysenburg Salon“ – einer zehnteiligen Möbelgruppe, die zu den frühesten bekannten Arbeiten Abraham Roentgens (1711–1793) noch vor der Zeit der Manufakturgründung 1750 zählt – gelang dem Roentgen-Museum Neuwied die Erwerbung einer doppelten Rarität: denn eigenhändige Frühwerke Abraham Roentgens sind so selten wie ganze Möbelensembles, die intakt den Wechsel von Moden und Generationen überstehen.
Geschreinert in Herrnhaag in der Wetterau zeigt sich die Gruppe aus rötlichem Kirsch- und Pflaumenholz deutlich von englischen Vorbildern inspiriert, die der Kunstschreiner während seiner Lehrjahre in London eingehend studierte. Neben vier Stühlen und vier Hockern und einem Tisch mit kunstvoll gravierter Messing- und Perlmutteinlage gehört zu dem Ensemble auch eine kühne Konstruktion aus Spiel- und Schreibtisch – ein Verwandlungsmöbel, das technische Invention und handwerkliche Perfektion zu einer ästhetisch gelungenen Synthese bringt. Bis in die jüngste Zeit gehörten die Stücke zur Ausstattung von Schloss Büdingen, Wohnsitz der Familie Ysenburg-Büdingen, Roentgens damaligen Landesherren und Namenspate des Ensembles.
Das Roentgen-Museum ergänzt mit der – mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Otto Wolff Stiftung, der Kultur- und Sozialstiftung der Provinzial Rheinland Versicherungen in Verbindung mit der Sparkasse Neuwied, der Museums-Stiftung Krüger und der Ernst von Siemens Kunststiftung – erworbenen Gruppe seine Kollektion an Werken des für die deutsche Möbelkunst wegweisenden Ebenisten. Im Festsaal des Hauses, das die Werkstattgeschichte der Roentgen-Familie dokumentiert, sind mit Ysenburgs Interieur fortan die Zeugnisse einer untergegangenen Wohnkultur zu bewundern.