Wo Konzept zu Kunst wurde

Eine schmale Hofdurchfahrt in der Düsseldorfer Neubrückstraße sollte zur Wiege einer bis dato in Deutschland unbekannten Avantgarde werden: Konrad Fischer hatte mit seiner in der Durchfahrt der Hausnummer 12 eingerichteten Galerie einen Ort für Konzeptkunst geschaffen und räumte damit der radikal neuen, vorrangig aus den USA stammenden Kunst im wahrsten Sinne des Wortes einen Platz in der deutschen Kunstszene ein. Für die Eröffnungsausstellung im Oktober 1967 lud Fischer den zu jener Zeit nahezu unbekannten Carl Andre ein. In Vorbereitung auf seine erste europäische Einzelschau hatte der amerikanische Bildhauer bereits Skizzen für eine geplante Raumintervention bei Fischer angefertigt. Auch wenn er vor Ort sein Vorhaben verwarf und stattdessen seine berühmte Bodenskulptur „Altstadt Rectangle“ verwirklichte: Die Entwurfszeichnung „Metal Requirements for Proposed Show in Düsseldorf“ von Carl Andre überdauerte in der Sammlung von Dorothee und Konrad Fischer, wo sie von den Anfängen eines Künstlers zeugt, der heute zu den bedeutendsten Bildhauern des Minimalismus gehört.

Vor Gründung seiner Galerie selbst als Künstler tätig, erkannte Konrad Fischer früh die Sprengkraft neuer künstlerischer Bewegungen wie Minimal und Conceptual Art, die mit einem offenen Werkbegriff, sichtbar gemachten Denk- und Arbeitsprozessen und vielseitigen Reflexionsebenen einem innovativen Kunstverständnis Vorschub leisteten. Ob bei Carl Andres rasterartig verlegten Metallplatten, Soundinstallationen von Bruce Nauman oder den Notationssystemen von Hanne Darboven: Vielen Künstlern und Künstlerinnen, die heute längst in den Kanon der Kunst nach 1945 eingegangen sind, bot der gebürtige Düsseldorfer eine erste Plattform. Während ihre nüchternen Arbeiten den meisten – auch seinen Fachkollegen – noch fremd und abwegig vorkamen, machte Fischer sich als einer der ersten deutschen Galeristen bereits für deren Vermittlung stark. Seine Galerie in der Neubrückstraße – bis zu seinem Tode 1996 partnerschaftlich mit seiner Frau Dorothee und danach von dieser allein geführt – etablierte damit nicht nur die konzeptuelle Kunst der 1960er und 1970er im europäischen Markt, sondern beförderte gleichzeitig Düsseldorfs Status als internationales Zentrum für zeitgenössische Kunst.

Mit mehr als 200 Kunstwerken aus fast fünfzig Jahren repräsentiert die Sammlung, die parallel zu Dorothee und Konrad Fischers Galerietätigkeit entstand, alle wichtigen Ansätze der konzeptuellen Kunst. Neben Künstlern wie Bruce Nauman, Hanne Darboven, Sol LeWitt und Gilbert & George, die mit größeren Konvoluten vertreten sind, umfasst die Sammlung auch Arbeiten von On Kawara aus den für die Conceptual Art grundlegenden „Today Series“, Werke von Daniel Buren, Dan Flavin, Robert Ryman, Fred Sandback, Lawrence Weiner, Richard Long, Piero Manzoni und vielen weiteren. Mit Jannis Kounellis und Mario Merz sind auch Künstler der Arte Povera inbegriffen. Jüngere Positionen bilden Gregor Schneider, Thomas Schütte, Robert Mangold und Juan Muñoz. Nahezu ein Viertel der Arbeiten sind installativer Natur, den übrigen Teil machen intimere Arbeiten auf Papier aus. Die Sammlung geht in gleich großen Teilen als Kauf und als Schenkung in die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ein. Dabei wird die Schenkung ergänzt durch das Archiv der Galerie, in dem u. a. Künstlerkorrespondenz ein umfassendes Bild der Galeriepraxis und von Fischers Arbeitsweise zeichnet: Viele Werke entstanden im Austausch von Galerist und Künstler, die einander oft auch freundschaftlich verbunden waren.

Das Ehepaar Fischer hat mit seiner Düsseldorfer Galerie Kunstgeschichte geschrieben und die lebendige und innovative Kulturszene Nordrhein-Westfalens über Deutschland und Europa hinaus bekannt gemacht. Indem die Sammlung Fischer nun in die ebenfalls in Düsseldorf ansässige Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eingeht, wo sie die bereits profunden Bestände zur Nachkriegskunst weiter stärkt, können die Pionierarbeit der Galeristen und die Wiegenzeit bedeutender Künstlerkarrieren bewahrt werden. Neben der Kulturstiftung der Länder wurde der Ankauf unterstützt durch das Land Nordrhein-Westfalen, die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Kunststiftung NRW, die Gesellschaft der Freunde der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen sowie durch eine private Spende. In der Ausstellung „Wolke & Kristall“ werden die konzeptuellen Arbeiten aus der Sammlung Fischer vom 24. September 2016 bis zum 8. Januar 2017 in ihrer neuen Umgebung im K20 zu sehen sein.