Votum der Initiative Deutsch-Russischer Museumsdialog

Präambel

Seit 15 Jahren verhandeln Deutschland und Russland über kriegsbedingt verbrachte Kunst- und Kulturgüter aus Deutschland.

Während in den 50er Jahren in bedeutendem Umfang seitens der Sowjetunion Kunstwerke an die DDR zurückgegeben wurden, vor allem aus den Sammlungen der Berliner und der Dresdner Museen, sind nach dem Nachbarschaftsvertrag von 1990 und dem Kulturabkommen von 1992 keine wirklichen Fortschritte erzielt worden, obwohl die Kulturgutrückführung ausdrücklich Vertragsbestandteil geworden war.

Aus deutscher Sicht hat Russland durch die Verabschiedung des Gesetzes „Über die infolge des Zweiten Weltkrieges in die UdSSR verbrachten und im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation befindlichen Kulturgüter“, faktisch ein Enteignungsgesetz formuliert. Dieses sog. Beutekunstgesetz oder auch „DUMA“-Gesetz erklärt die kriegsbedingt verbrachten Kunst- und Kulturgüter aus deutschen öffentlichen Einrichtungen zu russischem Staatseigentum.

Russland hat in Folge einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung dieses „DUMA“-Gesetz von 1998 in Kraft gesetzt.

Deutsche Truppen und SS-Sonderkommandos hatten als Angreifer mit der Zerstörung, Plünderung und Verschleppung von Kunst- und Kulturgütern auf fremden Territorien begonnen; die sowjetische Seite wiederum verbrachte 1945/46 gezielt deutsche Kunst- und Kulturgütern aus Deutschland in die Sowjetunion.

Während die von deutscher Seite verbrachten russischen Bestände, die überwiegend in großen Depots in Mittel- und Ostdeutschland eingelagert waren, nach dem Sieg der Alliierten in den Einflussbereich der Roten Armee gelangten und nach Russland zurückgeführt wurden oder über die von den Westalliierten eingerichteten „collecting points“ für geraubte Kunst- und Kulturgütern an die Sowjetunion restituiert wurden, verblieben die verbrachten deutschen Kunstbestände und Sammlungen auf sowjetischen bzw. russischem Territorium.

Eine Ermächtigung für die Sowjetunion durch den Alliierten Kontrollrat zur Leistung von Kulturgütern als Reparation hat es nicht gegeben.

Trotz der teils unterschiedlichen Ansichten ist eine Zusammenarbeit auf Fachebene von beiden Seiten gewollt.

Nach eingehender Erörterung und Analyse der bisherigen Verhandlungen in den Regierungs- und Fachkommissionen über die Rückführung deutscher Kunst- und Kulturgüter aus Russland haben die öffentlich zugänglichen deutschen Museen, die bis heute durch die Verluste betroffen sind, auf ihrer Fachtagung am 8. November 2005 in Berlin beschlossen, für die zukünftigen Aktivitäten und Kontakte mit russischen Einrichtungen auf der Fachebene eine Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ zu bilden, die die Interessen der betroffenen deutschen Museen bündelt und nach innen und außen fachlich vertritt.

Die Teilnehmer der Fachtagung sind davon überzeugt, dass die auf Seiten der Museen bestehenden guten Kontakte mit den Kolleginnen und Kollegen in russischen Einrichtungen weit mehr als bisher intensiviert werden sollten und damit zur Aufklärung der kriegsbedingt verbrachten Kunst- und Kulturgüter beitragen können, vor allem aber auch eine wichtige Maßnahme der Vertrauensbildung und Sicherung der Erhaltung der Bestände auf beiden Seiten darstellen.

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“  folgende Aufgabenschwerpunkte:

Optimierung des Informationsstandes der deutschen Museen über die in Russland vorhandenen Bestände an deutschen Kunst- und Kulturgütern durch:

Offenlegung von und Zugang zu bisher von Russland verschlossen gehaltenen Depots und zu den entsprechenden Archivmaterialien
Arbeitsaufenthalte von deutschen Wissenschaftlern in russischen Museen und (Geheim-)Depots zur Lokalisierung deutschen Kulturgutes, möglichst in Kooperation mit den russischen Kollegen
Erstellung von Kurzinventaren zur Standortbestimmung der Kunst- und Kulturgüter aus Deutschland in Russland (möglichst in Kooperation mit den russischen Kollegen), finanziert durch Drittmittel für noch zu definierende Bestände und Sammlungsteile
Intensivierung der fachlichen Kontakte und Kooperationen zwischen deutschen und russischen Museen durch:

Gemeinsame Ausstellungsvorhaben Gemeinsame Ausstellungen von kriegsbedingt verbrachten Kunst- und Kulturgütern aus Deutschland in Russland zum Zwecke der Aufklärung unter Wahrung der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte
Wissensaustausch zwischen deutschen und russischen Restauratoren bei der Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgütern allgemein und insbesondere bei Beständen aus deutschem Eigentum im Hinblick um die Sorge deutscher Experten wegen des Erhaltungszustandes
Austausch von Wissenschaftlern und Restauratoren zwischen deutschen und russischen Museen und Ermöglichen von längeren Arbeitsaufenthalten
Übergreifende Fragestellungen Wissenschaftliche Aufarbeitung der kriegsbedingt verlagerten Kunst- und Kulturgüter
Untersuchung der Restitution von Kunst- und Kulturgütern in den 50er Jahren durch die Sowjetunion an die DDR (Entscheidungsprozesse, Auswahlkriterien, fachliche Beteiligung u.a.)
Verbesserung der themenbezogenen Pressearbeit in russischen Medien
Zur Organisation der Initiative „ Deutsch-Russischer Museumsdialog“ wird vereinbart:

Sechs Ständige Mitglieder der Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ als Lenkungsausschuss zu benennen. Dies sind je ein noch zu bestimmender Vertreter der nachfolgend benannten Einrichtungen:

  • Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
  • Kunsthalle Bremen
  • Staatliche Kunstsammlungen Dresden
  • Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
  • Kunstsammlungen Staatliches Museum Schwerin
  • Stiftung Preußischer Kulturbesitz / Staatliche Museen zu Berlin
  • Als beratende Mitglieder werden im Einzelfall zusätzlich Vertreter der direkt betroffenen Museen bestellt.
  • Die Kulturstiftung der Länder steht als Moderatorin zur Verfügung und übernimmt – wenn erforderlich – die
  • Geschäftsstellenfunktion der Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“.
  • Der Lenkungsausschuss der Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“  tritt regelmäßig zusammen. Er berät die
  • aktuellen Entwicklungen, beschließt das weitere Vorgehen und die zukünftigen Einzelprojekte einvernehmlich.
  • Die Sitzungen werden durch Protokolle dokumentiert, die allen Museen, die sich durch den Lenkungsausschuss der
  • Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ vertreten lassen, zugeleitet werden.
  • Die betroffenen deutschen Museen hoffen auf die Unterstützung des Bundes, der Länder und der Kommunalen
  • Spitzenverbände bei der Umsetzung der vorstehend formulierten zukünftigen Kooperationsfelder, insbesondere auch auf die
  • Einführung und Erörterung dieses Votums in den weiteren Gesprächen der Deutsch-Russischen Regierungskommission
  • sowie eine Unterstützung der Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ bei der vorangestellten Aufgabenerfüllung.

Berlin, den 8. November 2005

Unterzeichnet von:

Akademie der Künste
Anhaltische Gemäldegalerie Schloß Georgium
Deutsches Historisches Museum
Grassimuseum Leipzig
Kulturhistorisches Museum Magdeburg
Kulturhistorisches Museum Rostock
Kulturstiftung der Länder
Kulturstiftung Dessau Wörlitz
Kunsthalle Bremen
Kunstsammlung Neubrandenburg
Mittelrhein-Museum
Museum der Westlausitz Kamenz
Museum für Kommunikation
Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin
Museum Wiesbaden
Saarland Museum
Schloß Gottorf
Schloß- und Spielkartenmuseum Altenburg
Staatliche Kunstsammlungen Dresden *
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz *
Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen
Staatliches Museum Schwerin
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Stadtmuseum Bautzen
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Stiftung Schloß Friedenstein Gotha
Stiftung Stadtmuseum Berlin
Suermondt-Ludwig-Museum
Wartburg

* Neben Vertretern der Generaldirektion waren auch Direktoren und wissenschaftliche Mitarbeiter einzelner Einrichtungen vertreten

Aktualisiert Berlin, den 19. April 2007

Unterzeichnet von:

Anhaltische Gemäldegalerie Schloß Georgium
Deutsches Historisches Museum
Fürst Pückler Museum – Park und Schloß Branitz
Grassimuseum für Angewandte Kunst Leipzig
Händel-Haus Musikmuseum der Stadt Halle
Klassikstiftung Weimar
Kulturhistorisches Museum Magdeburg
Kulturhistorisches Museum Rostock
Kulturstiftung der Länder
Kulturstiftung Dessau Wörlitz
Kunsthalle Bremen
Kunstsammlung Neubrandenburg
Kunstsammlungen Chemnitz
Museum der bildenden Künste Leipzig
Museum für Kommunikation
Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz *
Staatliches Museum Schwerin
Stiftung Schloß Friedenstein Gotha
Stiftung Stadtmuseum Berlin
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Suermondt-Ludwig-Museum
Wartburg

* Neben Vertretern der Generaldirektion waren auch Direktoren und wissenschaftliche Mitarbeiter einzelner Einrichtungen vertreten