Von Neuhardenberg nach Russland

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Mit dem Militärzug Nr. 177/8028 passierten im Winter 1946 rund 40 Kisten die deutsch-russische Grenze. Unter der Bezeichnung „Neuhardenburg“ trafen sie schließlich im März des Jahres in Moskau ein. Die Wege, welche die historischen Bibliotheksbestände des Fürsten Karl August von Hardenberg von dem brandenburgischen Schloss in verschiedene russische Bibliotheken nahmen, publizierte nun die Allrussische Staatliche Bibliothek für Ausländische Literatur M. I. Rudomino. Der durch die Kulturstiftung der Länder ermöglichte Katalog verzeichnet circa 600 Bücher in sechs russischen Bibliotheken. Gemeinsam recherchierten diese die Herkunft ihrer Bestände und erschlossen so ein weiteres Kapitel der Geschichte deutsch-russischer Kulturgutverlagerungen. Sämtliche der 15.000 Bände, welche die Bibliothek des preußischen Staatskanzlers und Reformers von Hardenberg bei seinem Tod zählte, wurden im Zuge der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone in Staatseigentum überführt. Während eine Hälfe in Deutschland verblieb und sich heute in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin befindet, transportierte die Rote Armee vermutlich 600 Bände ab. Der Verbleib der restlichen Bestände ist bis heute ungeklärt.

In der Residenz des deutschen Botschafters in Moskau werden die Herausgeber heute im Rahmen einer presseöffentlichen Podiumsdiskussion vor geladenen Gästen den Katalog präsentieren. „Es ist mir ein großes Anliegen, dass das vorbildliche Engagement und die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen russischen und deutschen Kolleginnen und Kollegen dazu ermutigt, weitere deutsch-russische Forschungs- und Publikationsprojekte auf den Weg zu bringen, die zur Aufklärung über den Verbleib kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter und damit zum Verständnis unserer gemeinsamen Geschichte beitragen“, betont Dr. Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des Deutsch-Russischen Museumsdialogs und Dezernentin der Kulturstiftung der Länder. Die Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Bibliotheksdialogs Wadim Duda, Generaldirektor der Russischen Staatsbibliothek, und Dr. h.c. Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, sowie die verantwortliche Redakteurin des Katalogs und Leiterin der Rara-Sammlung der Rudomino Bibliothek, Karina Dmitrieva, beteiligen sich ebenfalls an der Diskussion. „Die Veröffentlichung des Kataloges der ‚Büchersammlung des Fürsten Karl August von Hardenberg in russischen Bibliotheken‘ ist ein bedeutendes Ereignis. Es stellt eine weitere Möglichkeit dar, die Vergangenheit durch Bibliotheken und die Schicksale ihrer Eigentümer  zu vergegenwärtigen und so ein weiteres Kapitel Alltagsgeschichte zu schreiben“, sagt Karina Dmitrieva.

Erschienen sind in der gemeinsamen Publikationsreihe bisher die Kataloge zu Büchern aus den Bibliotheken von Friedrich Werner Graf von der Schulenburg (2009) und des Grafen Yorck von Wartenburg (2012). Diese Form der gemeinsamen Erforschung deutscher wie russischer Kriegsverluste steht seit rund 10 Jahren im Zentrum der Kooperation zwischen der Kulturstiftung der Länder und der Allrussischen Staatlichen Bibliothek für ausländische Literatur M. I. Rudomino wie auch der Arbeit des Deutsch-Russischen Bibliotheksdialogs. Deutsche und russische Bibliotheken haben sich – auf Initiative der Kulturstiftung der Länder und der Rudomino Bibliothek und nach dem Vorbild des Deutsch-Russischen Museumsdialogs – 2009 zu einem Bibliotheksdialog zusammengeschlossen.

Bereits vier Jahre zuvor war der Deutsch-Russische Museumsdialog 2005 in Berlin gegründet worden, um Aktivitäten und Kontakte zwischen deutschen und russischen Museen auf der Fachebene zu ermöglichen oder zu intensivieren und kollegial-vertrauensvolle Zusammenarbeit zu fördern. Der Dialog wurde initiiert von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Kulturstiftung der Länder und über 80 deutschen Museen und hat sich zu einem wichtigen Fundament deutsch-russischer Kulturbeziehungen entwickelt.