Von Horten und Geprägen

Unterstützt durch die Kulturstiftung der Länder konnten in den Jahren 2014 und 2015 zwei bedeutende Münzhorte des Hochmittelalters für die Staatliche Münzsammlung München erworben werden. Die Münchner Sammlung blickt auf eine lange Tradition der Erforschung mittelalterlicher Münzschätze zurück und konnte nun erneut ihre Schwerpunktsammlung um zwei Glanzstücke erweitern.

2014 wurde ein schwäbischer Schatzfund angekauft, dessen Münzmasse von etwa 7.740 Pfennigen in die Zeit der Staufer fällt und sich mehrheitlich aus Augsburger Währung zusammensetzt. 2015 folgte der Ankauf eines Hortes, dessen knapp 1.000 bayerische Pfennige zum Großteil gegen Ende des 11. Jahrhunderts geprägt wurden.

Die zusammengefasst ca. 9.000 Silbermünzen, die nun in der Staatlichen Münzsammlung dauerhaft bewahrt werden, decken gemeinsam beinahe zweihundert Jahre bayerischer Münzgeschichte ab. Die Gepräge aus der Zeit der salischen Herrscher bis zu den Staufern versprechen – als Träger von Bild und Schrift in überlieferungsarmer Zeit – herausragende Neuerkenntnisse nicht nur für die mittelalterliche Münzkunde, sondern auch für weitergefasste Forschungsfragen im Bereich der Kunst- und Kulturgeschichte des Hochmittelalters.

Der Schatzfund von Obing

Eine Sensation stellt die Auffindung des Münzhortes von Obing (Lkr. Traunstein) dar, denn mit einer Zeitstellung zwischen 1056 und 1120/30 gehören seine 994 Silberpfennige u. a. aus Regensburg, Salzburg und Passau einer extrem seltenen Fundgruppe an. Während bayerische Münzen der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts bedingt durch den Fernhandel häufig in skandinavischen Horten anzutreffen sind, setzt die Zeitstellung bayerischer Inlandsfunde erst zu Beginn des 12. Jahrhunderts ein. Diese zu beklagende Überlieferungslücke der mittleren Salierzeit füllt nun der Obinger Münzhort aus. Es verwundert deshalb nicht, dass unter den 36 Münztypen des Hortes mehr als die Hälfte bisher gänzlich unbekannt oder aufgrund fehlenden Vergleichsmaterials falsch zugeordnet war.

Erstmals bekannt geworden sind nun Pfennige des Regensburger Bischofs Otto von Riedenburg (1061–1089). Er ist der erste bayerische Bischof, der sich stolz mit den Insignien seines Amtes – Stab und Buch – auf seinen Geprägen präsentiert. Verliehen hatte ihm diese nicht der Papst, sondern König Heinrich IV. (1056 – 1105). Die neuartigen Bischofsbilder mit Investitursymbolen dürfen demnach, auf der Höhe des Streits zwischen König und Papst um das Recht der Bischofsinvestitur, als politisches Bekenntnis des Regensburgers verstanden werden. Durch alle Wirren des sog. Investiturstreits blieb Otto ein loyaler Parteigänger Heinrichs IV. Daneben sind im Obinger Hort erstmals Pfennige Bischof Altmanns von Passau (1065 –1091) zu verzeichnen, eines berühmten Vertreters des Gegenlagers.

Zu den Schlussmünzen des Hortes zählt eine Partie von großen Regensburger Pfennigen, die um 1120/30 datieren und ein tonsuriertes Brustbild mit Krummstab auf der Vorderseite tragen. Auf der Rückseite ist der Kampf des Herkules gegen den Nemeischen Löwen zu sehen. Wie für mittelalterliche Darstellungen üblich, kämpft der Tugendheld mit einem Schwert gegen die ihn von rechts anspringende Bestie. Ganz ähnlich ist dieses Motiv auf anderen mittelalterlichen Bildmedien überliefert, wie Bronzeschalen oder Spielsteinen. Dies verdeutlicht einmal mehr die große Nähe der baye­rischen Pfennige des 12. Jahrhunderts zum zeitgenös­sischen Kunsthandwerk.

Ein Exemplar dieser Herkulespfennige im Schatzfund von Obing zeigt eine aufregende neue Variante der Vorderseite: Der Geistliche hält seine rechte Hand vor der Brust, in seiner Linken trägt er jedoch keinen Krummstab, sondern einen menschlichen Kopf. Hierbei handelt es sich womöglich um die früheste Darstellung des Hl. Dionysius auf einem Pfennig und damit um ein wichtiges Zeugnis für die Verehrung des Heiligen im Regensburger Bistum. Etwa seit der Mitte des 11. Jahrhunderts propagierte die Klostergemeinschaft von St. Emmeram ihre Behauptung, im Besitz der Gebeine des Märtyrers zu sein, Patron des bedeutenden Klosters Saint-Denis bei Paris und einer der beliebtesten Heiligen der Zeit.

Weil der Hort von Obing diese und zahlreiche weitere seltene Pfennige zusammen mit dem Rest des Schatzgefäßes umfasst, wurde er bald nach seiner Auffindung im Sommer 2000 in die Liste der beweglichen Bodendenkmäler Bayerns aufgenommen. Dass dieses Denkmal nun durch den Ankauf der Staatlichen Münzsammlung dauerhaft gesichert wurde und Forschern wie Besuchern auch zukünftig zur Verfügung gestellt werden kann, ist eine große Freude. Schon jetzt sind die numismatisch-kulturhistorischen Erkenntnisse, die die Untersuchung der Münzmenge geliefert hat, unschätzbar wertvoll.

Der Schatzfund von Waal

Im Februar 2014 entdeckte man in der schwäbischen Ortschaft Waal (Lkr. Ostallgäu) eine unglaubliche Masse von 7.740 Silberpfennigen. Schnell zeigte sich, dass es sich um ein Münzdepot Augsburger Währung des frühen 13. Jahrhunderts handelt. Die enthaltenen Pfennige stammen vorwiegend aus der Münzstätte Augsburg, wo sie zwischen 1160 und 1220 ausgeprägt wurden. Der Hort von Waal gilt somit als der größte Schatzfund Augsburger Währung des Mittelalters und enthält zahlreiche bislang unbekannte Pfennige der staufischen Könige, Herzöge von Schwaben und der Bischöfe von Augsburg. Als weitere Münzstätten sind Donauwörth, Schongau und Kempten anzusprechen. Eine recht große Partie Brixner und Innsbrucker Pfennige, die bisher höchst selten waren, macht eine weitere Besonderheit des Hortes aus.

 

Bei der Untersuchung der Fundmasse wurde schnell deutlich, dass die Geschichte der Augsburger Währung völlig neu einzuschätzen ist. Bisher vorgenommene Zuweisungen verschiedener Pfennigtypen an die vermeintlich bischöfliche Münzstätte Augsburg, das welfische Schongau und das königliche Donauwörth lassen sich nicht mehr halten. Offensichtlich wird, dass unter der staufischen Herrschaft der König, der Herzog von Schwaben und der Bischof von Augsburg in einer gemeinsamen Münzstätte prägen ließen. Dies wird u. a. ersichtlich durch erstmals belegte Gemeinschafts­prägungen Bischof Udalschalks (1184 –1202) mit Herzog Friedrich V. von Schwaben (1170 –1191), die auf ihrer Vorderseite den sitzenden Bischof und auf der Rückseite den stehenden Herzog darstellen.

Zu entdecken sind auf den Geprägen von Waal unterschiedlichste Herrscherdarstellungen, fantasievolle Architekturen, Tiere und Fabelwesen. Detailreiche Darstellungen von Insignien und Gewändern spielen eine wichtige Rolle. Die frühen zweiseitigen Pfennige werden zunehmend durch plastisch ausgeprägte und schließlich hochreliefiert-einseitige Münzen ersetzt, die eine feinere bildliche Gestaltung zulassen. Ein beson­deres Beispiel ist der sog. Hochzeitspfennig, der König und Königin einander zugewandt zeigt. Aufgrund des Motivs und seiner Seltenheit – nur drei Exemplare sind bekannt – könnte er als Auswurfsmünze zum Anlass der Hochzeit des staufischen Prinzen Philipp mit der byzantinischen Kaisertochter Irene zu Pfingsten 1197 auf dem Gunzenlee vor Augsburg interpretiert werden.

Neben der Attraktivität der beinahe prägefrischen Münzmenge als museales Schaustück garantiert die Verwahrung und Untersuchung des Waaler Schatzes dauerhaft einen großen Gewinn für die Geschichts­forschung des mittelalterlichen Schwaben.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung