Dazu Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Die Villa Seligmann ist eines der wenigen Zeugnisse jüdisch-bürgerlichen Lebens in Hannover aus der Zeit vor dem Holocaust. Mit dem Ankauf dreier Gemälde von Ferdinand Wagner wird die Ausstattung um wichtige Zeugnisse ergänzt. Die Villa Seligmann steht damit exemplarisch für ein repräsentatives Wohnhaus des deutsch-jüdischen Großbürgertums in der Kaiserzeit, in dem heute jüdische Kultur gepflegt und an den deutsch-jüdischen Unternehmer Siegmund Seligmann und das jüdische Leben in Hannover erinnert wird.“
Ferdinand Wagner fertigte 1906 für die Villa Seligmann fünf Sinnesallegorien. Drei der fünf Gemälde können nun an ihren ursprünglichen Ausstellungsort zurückgeführt werden:
- Das Gehör, 1906, Öl auf Leinwand auf Holz, ca. 238 x 190 cm
- Der Geschmack, 1906, Öl auf Leinwand auf Holz, ca. 238 x 198 cm
- Das Sehen, 1906, Öl auf Leinwand auf Holz, ca. 239 x 139 cm
Die neobarocken Kompositionen der „Fünf Sinne“ von Wagner zeigen allegorische Frauenfiguren. Der 1867/68 in Italien ausgebildete Historienmaler Wagner war auf großformatige Wandmalereien spezialisiert. Seine Arbeiten waren zumeist wandfeste, immobile Kunstwerke oder großformatige Ölgemälde, die für vorab definierte Ausstellungsorte gefertigt wurden. Der Großteil seiner Werke ging durch Kriegsschäden verloren. Heute noch erhalten sind unter anderem das Deckengemälde im Festsaal von Schloss Bückeburg, die Dekoration des Großen Saales im Münchner Hofbräuhaus und Darstellungen im Turmsaal des Neuen Rathauses in Hamburg. Er zählte zu den führenden Malern seiner Zeit, die für Schlösser des Adels und Bauten des Kaiserreiches Dekorationsmalereien fertigten.
Die Villa Seligmann wurde von 1905 bis 1906 nach den Plänen des hannoverschen Architekten Hermann Schaedtler (1857-1931) für Siegmund Seligmann (1853-1925) errichtet. Siegmund Seligmann war Kaufmann und Unternehmer, und der erste Generaldirektor der Continental AG in Hannover, die unter seiner Führung zu einem der größten Gummi- und Reifenproduzenten Deutschlands aufstieg. Bis 1931 verblieb die Villa im Eigentum der Familie Seligmann, im gleichen Jahr veräußerte Seligmanns Sohn die fünf Sinnesallegorien Wagners. 2006 erwarb die Stiftung Siegmund Seligmann die Villa, seit 2012 ist sie als Haus für jüdische Musik ein Ort der Forschung und Vermittlung. Bei der Restaurierung der Villa wurden an den Wänden im Treppenhaus bewusst Flächen für Wagners Wandbilder frei gelassen. Mit dem Ankauf der drei Wandgemälde führt die Villa Seligmann die Werke nun an ihren ursprünglichen Ausstellungsort zurück und kann so einen zentralen Teil der historischen Ausstattung rekonstruieren.
Die Gemälde befanden sich seit 1906 im Eigentum der Familien Seligmann und eines befreundetet Unternehmers sowie ihrer Nachkommen. Nachgewiesen sind drei Auktionen, im Jahr 1931 sowie zuletzt 2014 und 2016, als die Werke unverkauft an die Eigentümer zurückgingen, von der die Siegmund Seligmann Stiftung die drei Wandgemälde nun erwirbt.
Weitere Förderer: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Stiftung Niedersachsen, Niedersächsische Sparkassenstiftung, S-HannoverStiftung