Vermessung der Welt

1.748 Tage Südamerika auf knapp 4.000 dicht beschriebenen Blättern – Alexander von Humboldts Reisetagebücher der Expedition durch Mittel- und Südamerika von 1799 bis 1804 erzählen von Moskitoplagen biblischen Ausmaßes und waghalsigen Vulkanbesteigungen auf der abenteuerlichen Erforschung eines nahezu unbekannten Kontinents – eine Expedition, die die Wissenschaft prägen sollte.

Tagebuch VIIa/b, 55r: Observations astronomiques, nach der Abfahrt von Turbaco, 19.4.1801 © Staatsbibliothek zu Berlin - PK / Fotostelle
Tagebuch VIIa/b, 55r: Observations astronomiques, nach der Abfahrt von Turbaco, 19.4.1801 © Staatsbibliothek zu Berlin – PK / Fotostelle

Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine Jahrhunderterwerbung: Aus Privatbesitz konnte sie nun den Großteil der wertvollen Manuskripte für die Staatsbibliothek zu Berlin erwerben. In seinen Tagebüchern versammelte der unermüdliche und allen Gefahren trotzende Forscher sämtliche Beobachtungen und Gedanken seiner legendären lateinamerikanischen Entdeckungsreise, die Aufzeichnungen ergänzte Humboldt mit zahlreichen eigenhändigen Skizzen. Es gelang der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zusammen mit der Kulturstiftung der Länder, eine breite Finanzierungskoalition zu schmieden: Der Ankauf wurde unterstützt vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, der Kulturstiftung der Länder, der Stiftung Würth Group, der Hermann Reemtsma Stiftung, der Deutschen Bank AG, der Volkswagen-Stiftung, der Robert Bosch Stiftung, der Gerda Henkel Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung. Damit der Kaufpreis insgesamt im Jahr 2013 bezahlt werden kann, hat sich die Ernst von Siemens Kunststiftung durch die Vorfinanzierung eines größeren Betrages ebenfalls beteiligt.

Die Aufzeichnungen der Expedition – später in neun Folio- und Quartbänden gebunden – dienten Alexander von Humboldt, dem 1769 geborenen Naturwissenschaftler und Forschungsreisenden mit Weltruhm, bis zu seinem Lebensende 1859 als wichtigste Quelle wissenschaftlicher Ideen. Heute sind sie nichts Geringeres als ein Zeugnis der Geburtsstunde der modernen Wissenschaft. Von der Elektrizität der Zitteraale bis zum Meteorschauer der Leoniden –  Humboldt war ein unermüdlicher Datensammler. Das exakte Vermessen und Dokumentieren noch so kleiner Phänomene – quer durch alle wissenschaftlichen Disziplinen – war seine Methode. Dabei verlor er nie den Blick für das große Ganze: Wie kein anderer Forscher vor ihm untersuchte er das komplexe Zusammenspiel von Erdkräften, Klima, Natur und Mensch, durchaus auch in globaler Perspektive – historisch betrachtet eine Revolution wissenschaftlicher Methodik.

„Ich freue mich, dass die bis dato größtenteils unveröffentlichten Manuskripte nun von der Forschung intensiv bearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können“, so Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. Die Universität Potsdam und die Staatsbibliothek zu Berlin führen ab 2014 das Forschungsprojekt „Alexander von Humboldts Amerikanische Reisetagebücher“ durch. Es steht unter der Leitung des international renommierten Humboldt-Experten Prof. Ottmar Ette. Im Rahmen dieses vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Projekts wird die konservatorische Sicherung, Kontextualisierung und Digitalisierung der Bestände erfolgen.