Unter Reformatoren

Das Gotische Haus im Gartenreich von Dessau-Wörlitz stellt durch seine Ausstattung einen reformationsgeschichtlichen Gedächtnisort dar. Im Geistlichen Kabinett hängen neben Luther selbst ein Bild des Theologen Philipp Melanchthon sowie das Porträt des konvertierten Landesreformators Johann IV. von Anhalt-Zerbst. Erstaunlicherweise reiht sich auch Albrecht von Brandenburg, der erfolgreiche Kirchenfürst der Lutherzeit, in den Bilderreigen ein. In dessen Bistümern Halberstadt und Magdeburg trieb der Ablassprediger Tezel sein Unwesen, was Luther schließlich zum Anschlag seiner 95 Thesen veranlasste.

Jacopo de’ Barbari, Albrecht von Brandenburg, 1508, 68,3 × 53,3 cm; Kulturstiftung Dessau-Wörlitz
Jacopo de’ Barbari, Albrecht von Brandenburg, 1508, 68,3 × 53,3 cm; Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

Als Achtzehnjährigen hielt Jacopo de’ Barbari den brandenburgischen Prinzen Albrecht 1508 im Bild fest – in dem Jahr, als mit der Ernennung zum Domherrn von Magdeburg die steile Karriere Albrechts begann. Die Repräsentationsfreude der Fürstenhäuser nördlich der Alpen ließ Jacopo de’ Barbari (1460/70–1516) seine venezianische Heimat verlassen, um ab 1500 bis zu seinem Tod als Hofmaler tätig zu sein. Auf seinen verschiedenen Stationen kam er mit Lucas Cranach d. Ä. zusammen, tauschte sich in Nürnberg mit Albrecht Dürer über die Proportionslehre aus. Das Bedürfnis Adliger wie Albrecht von Brandenburg (1490–1545), sich prunkvoll und formvollendet darzustellen, wirkte als Katalysator für künstlerischen Austausch und Kulturtransfer.

„Mit dem gemeinsam gelungenen Erwerb des Bildnisses Albrecht von Brandenburgs sichern wir nicht nur ein geschichtliches Zeugnis, wir ermöglichen auch den Blick durch ein historisches Bild auf ein zeitloses Phänomen: Im Porträt erfüllt sich der Wunsch nach Selbstdarstellung. Der Kontext, in welchem das Bild gezeigt wird, lässt sich jedoch nicht immer bestimmen. Er wird oft durch andere, in diesem Fall geschichtliche Zusammenhänge und Individuen, bestimmt“, sagt Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Jacopo de’ Barbaris Gemälde wurde von Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) für das Gotische Haus erworben. Gut 100 Jahre hing es im Geistlichen Kabinett, bevor es 1918 entnommen wurde. Nach Ende der letzten deutschen Monarchie kam es 1927 zur Veräußerung durch das Haus Anhalt. Über den deutschen Kunsthandel erwarb das Werk schließlich Theodor Fischer 1936 in Luzern. Zu diesem Zeitpunkt war die Renaissance-Malerei Eigentum Ernst Saulmanns, der sein gesamtes Vermögen, seine Kunstsammlung und Bibliothek durch staatliche Zwangsmaßnahmen des NS-Regimes verlor. 2014 kam es zu einer gütlichen Einigung zwischen dem Schweizer Privatbesitzer und den Erben Saulmanns sowie einer Verzichtserklärung letzterer. So konnte das Werk 2017 in London von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ersteigert werden.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, Ernst von Siemens Kunststiftung