Das Interview im Podcast:
Herr Kampeter, Sie sind studierter Volkswirt und hatten verschiedenste politische Ämter in der Stadt Minden, im Kreis, im Land und auf Bundesebene inne. Sie waren verantwortlich für den Etat des Bundeskanzleramts und damit auch für die Finanzierung der Bundeskulturpolitik während der ersten Amtszeit von Kulturstaatsminister Bernd Neumann und sind bis heute Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Was macht die BDA?
Steffen Kampeter: Die BDA ist die sozialpolitische Spitzenorganisation der gesamten deutschen Wirtschaft. Sie vertritt die sozial- und wirtschaftspolitischen Interessen von rund 1 Mio. Unternehmen mit rund 30,5 Mio. Beschäftigten. Das Grundgesetz spricht im Artikel neun von Sozialpartnern und meint damit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, die an der sozialen und wirtschaftlichen Realität dieses Landes aktiv mitwirken und die Bundesregierung für unsere Themenbereiche beraten. Auf der einen Seite haben wir den Deutschen Gewerkschaftsbund und auf der anderen Seite die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Wir sind die Sozialpartner und kümmern uns um Themen wie Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung, ein flexibles Arbeitsrecht und mehr Geld für Bildung.
Sie hatten und haben eine bemerkenswerte Anzahl an ehrenamtlichen Ämtern inne. Sie sind unter anderem seit 20 Jahren Vorsitzender des SV 1860 Minden, ein Verein mit 17 Sportarten und der größte Verein in einer Stadt mit über 80.000 Einwohnern, und ehrenamtliches Mitglied im Fernsehrat des ZDF. Sie haben einen herausfordernden Beruf und nebenbei noch zahlreiche Engagements. Warum engagieren Sie sich auch als Vorsitzender des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder?
Ich glaube, dass ein intensives berufliches Engagement in einem Feld geradezu danach verlangt, dass man auch noch auf ganz anderen Feldern Erfahrungen und Begegnungen hat. Ich habe mir das Berufliche nie eindimensional vorgestellt. Zudem denke ich, dass es in einer bürgerlichen Gesellschaft, so wie es die Bundesrepublik Deutschland ist, dazugehört, dass sich Bürgerinnen und Bürger statt des Staates oder in Ergänzung zu staatlichem Engagement engagieren und so ihre Umwelt, ihr Umfeld, die Kultur und den Sport etwas lebenswerter, etwas breiter, etwas erfolgreicher gestalten. Das gehört zu meiner Lebensauffassung.
Auf der einen Seite gesellschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement, auf der anderen Seite auch Hinzulernen in verschiedenen Feldern, welche Rolle spielt das Ehrenamt − auch zweckmäßig – in beruflicher Hinsicht?
Wenn man am Anfang seines Berufslebens steht und einen breiteren Erfahrungsschatz einbringen muss, spielt es sicherlich eine Rolle. Ich gehe auf die 60 zu und hoffe, nicht mehr viele berufliche Veränderungen vor mir zu haben. Für mich ist es eher Hobby, Ausgleich und Ergänzung. Die Motivlage für ehrenamtliches Engagement ist in der Bundesrepublik Deutschland höchst unterschiedlich. Manche Menschen – wie ich – suchen den Ausgleich. Andere sagen, ihr Beruf füllt sie nicht aus und deswegen wollen sie sich engagieren. Es gibt Menschen, die haben einen familiären Zugang, beispielsweise, weil ihre Kinder aktive Sportlerinnen und Sportler sind. Und darüber hinaus meinen Menschen auch, dass sie in ihrem aktiven Berufsleben zu wenig gemacht haben und in ihrer Passivphase aktiver werden wollen.
Sie sprechen auf Bundesebene für die Arbeitgeberschaft, welche Rolle spielt da das Ehrenamt? Ist Ehrenamt ein wichtiges Thema bei Ihnen im Haus? Gibt es ein Statement oder ein Leitbild oder eine Idee dazu?
Die Arbeitgeberorganisation besteht aus zwei Teilen: einem hauptamtlichen und einem ehrenamtlichen. Ich stehe an der Spitze der hauptamtlichen Organisation als Hauptgeschäftsführer und leite die Geschäfte. Der Arbeitgeberpräsident − unser Gesicht nach außen − arbeitet ehrenamtlich. Der Arbeitgeberpräsident ist nicht angestellt bei uns, sondern er ist Eigentümer seines Unternehmens und bringt so seine wertvollen Erfahrungen aus der Praxis mit ein. In der Breite ist es somit anders als bei den Gewerkschaften, die im Wesentlichen hauptamtlich strukturiert sind. Das Engagement in der Wirtschaft und vor allen Dingen in den Arbeitgeberverbänden ist ehrenamtlich. Darüber hinaus kenne ich viele Menschen aus der Wirtschaft, die über ihr unternehmerisches Arbeitgeber-Engagement hinaus auch ehrenamtlich in ihrer Gemeinde tätig sind. Viele Sportvereine, aber auch viele regionale Museen, Vereine oder andere ehrenamtliche Engagements werden von wirtschaftlich Verantwortlichen, von leitenden Angestellten, aber auch von Unternehmenseigentümern geleitet.
Sie haben in der Vergangenheit den Etat der Bundeskulturpolitik verantwortet. Wenn ich darüber nachdenke, wie der Bund das Ehrenamt fördern kann, dann fallen mir Spenden, Abzugsfähigkeit oder die Absetzbarkeit von Mitgliedsbeiträgen ein. Aus Ihren Erfahrungen: Wie wichtig war das Thema Ehrenamt und wie wurde es in der Bundespolitik aufgenommen? Wie hat man das Ehrenamt reflektiert?
Ich glaube, das Ehrenamt spielt in unserem föderalen Aufbau der Kulturpolitik beim Bund nicht die zentrale, aber in der Kommune die entscheidende Rolle. Sie finden keine kommunale Kulturpolitik, die ohne ein großes ehrenamtliches Engagement auskommt. Schaut man sich meine Heimatstadt Minden an oder die ländliche Kultur, Fördervereine, Heimatmuseen oder ähnliches, dann sind diese häufig ausschließlich von ehrenamtlichem Engagement getragen. Der Bund fördert national Bedeutendes, auch da kann man ehrenamtliches Engagement inkludieren. Ein Projekt, was ich seinerzeit mit aufsetzen durfte, war das sogenannte Denkmalschutz-Sonderprogramm. Dieses Programm setzt immer auch auf Eigeninitiative bei den geförderten Maßnahmen. Eigeninitiative bedeutet dabei nicht immer nur staatliche Eigeninitiative, sondern in vielen Fällen − beispielsweise, wenn Kirchen restauriert werden sollen – bedeutet es, dass die Gemeinde sich selbst engagiert, sei es durch Spenden oder Arbeitseinsatz, um den Eigenanteil dieser Bundesförderung komplementär einzubringen.
Sie sind Vorstandsvorsitzender des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder. Was genau macht dieser Freundeskreis?
Die Kulturstiftung der Länder ist ein Zusammenschluss der Bundesländer im föderalen Kulturaufbau, damit die Länder Aufgaben gemeinsam bewältigen können, die sie allein nicht stemmen könnten. Mit der Gründung des Freundeskreises haben sich Menschen zusammengeschlossen mit dem Ziel, die Arbeit der Kulturstiftung der Länder zu begleiten, zu inspirieren und Aufgaben, die die Stiftung nicht übernehmen kann, als Freundeskreis mit seinen Mitteln zu unterstützen, wie beispielsweise Projekte im Bereich Restaurierung und Erhaltung. Mit dem Freundeskreis fanden sich aber auch Menschen zusammen, die gleichgesinnt waren, ähnlich gedacht und die Begegnungen miteinander sehr geschätzt haben. Auch in einem Freundeskreis gilt es, nicht nur die Freundschaft mit der Institution zu pflegen, die man unterstützt, sondern es gilt auch, sie untereinander zu pflegen.
Ich war einmal dabei, als der Freundeskreis die TEFAF, die größte Kunstmesse der Welt, in den Niederlanden besuchte. Was macht der Freundeskreis darüber hinaus?
Wir versuchen eine gewisse Bandbreite der unterschiedlichen Interessen der Mitglieder abzudecken. Wir haben beispielsweise auch einen jungen Freundeskreis, dessen Aktivitäten ganz bewusst auf zeitgenössische Kunst und Aktivitäten abzielen, wie ein gemeinsamer Besuch bei der Art Basel. Auch sind wir bemüht, für unsere Mitglieder Begegnungen mit dem Kulturföderalismus zu schaffen. So richten wir unsere Jahrestagung jeweils in dem Bundesland aus, das aktuell den Stiftungsratsvorsitz der Kulturstiftung der Länder hat. Dank dieser Besuche erleben wir die unterschiedlichen Zugänge zur Kultur, zu Kulturförderung und subsidiären, unterschiedlichen Verständnissen dessen, was in der Kulturpolitik der Länder passiert. Der Freundeskreis vergibt zusätzlich Reise-Stipendien für angehende oder junge Kuratorinnen und Kuratoren zu den beiden führenden Kunstmessen, der Art Basel und der TEFAF in Maastricht, und ist damit meines Wissens die einzige Institution, die den kuratorischen Nachwuchs auf diesem Wege fördert. Wir lernen dabei auch, wie sich das kuratorische Engagement fortentwickelt und lassen uns davon inspirieren. Neu ist zudem, dass der Freundeskreis gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder Erwerbungsförderungen vornimmt und so die Stiftung unterstützt. Der Freundeskreis hat niemals die materiellen Möglichkeiten der 16 Bundesländer, aber er kann durch gemeinsame Förderprojekte deutlich machen, dass wir nicht auf zwei unterschiedlichen Universen tätig sind. Aktuell gibt es eine erste Erwerbungsförderung des Freundeskreises Seite an Seite mit der Kulturstiftung der Länder und gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Familie, Frauen, Integration und Kultur: Gillis van Coninxloos Gemälde „Waldlandschaft mit Reiherjägern“ von 1605 für den Historischen Verein der Pfalz in Speyer. Auch das ist das Markenzeichen von bürgerschaftlichem Engagement: Man kann sich flexibler, schneller und auch über Grenzen hinweg engagieren. Staatliche Kulturförderung ist immer bürokratische Kulturförderung. Das ist auch richtig und gut so, denn es wird das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nach gesetzlicher Maßgabe ausgegeben. Dadurch ist die Förderung aber immer ein – wenn auch – wohlmeinender Tanker. Doch ein Tanker ist kein Schnellboot und kann nicht rasch die Richtung wechseln oder mal eben darüber nachdenken, ob dieses oder jenes Kriterium nicht fortentwickelt werden kann. Und da können wir als Freundeskreis an der einen oder anderen Stelle Hilfe leisten.
Was machen Sie als Vorsitzender des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder und was sind Ihre Aufgaben?
Wie in jedem Verein hat der Freundeskreis nicht nur einen Vorsitzenden, sondern einen Vorstand. Wir begreifen uns als Team, und dieses Team steuert die Aktivitäten, darunter juristisch notwendige wie Wahlen, Rechenschaft und Haushalt. Wir legen im Vorstand zudem die Förderschwerpunkte fest, das sind vor allem Restaurierungsförderungen gerade bei kleineren, in ihrer Bedeutung für die Kultur- und Regionalgeschichte aber wichtigen Kultureinrichtungen, die dadurch neue Anziehungskraft entfalten können. Das kunsthistorische Spektrum reicht dabei von mittelalterlichen Inkunabeln, bedeutenden Altmeisterwerken und kostbaren Möbelensembles bis zu historischen Orgeln, Prunkdegen, Edelsteinkruzifixen oder spannenden Werken der Moderne. Gerade konnte in Rostock die Restaurierung der „Vicke-Schorler-Rolle“ abgeschlossen werden: eine prachtvolle 18 Meter lange Ansicht der Hansestadt aus dem 16. Jahrhundert. Außerdem organisieren wir Begegnungen unserer Mitglieder, nicht nur in Form unserer Mitgliederversammlung, sondern auch Begegnungen in Museen, Städten oder in der Region.
Was verpasse ich, wenn ich nicht Mitglied des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder bin? Was würde Ihnen fehlen?
Kunst und Kultur gehören für mich zur Ganzheitlichkeit des Daseins. Ich habe einen wesentlichen Teil meines Berufslebens im Politischen verbracht. Ich bin jetzt sehr im unternehmerisch-wirtschaftlichen Bereich aktiv und begleite diesen. Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht regelmäßig in Konzerte, Museen oder in den Dialog mit Kultur- und Kreativschaffenden gehen könnte. Der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder ist eine Einladung, sich hier auch ganzheitlich zu verstehen. Sie verpassen einen Teil ihrer Persönlichkeit, wenn Sie das nicht hinreichend unterstützen und auch mal wirkmächtig werden lassen. Menschen, die ohne Kultur und Kunst aufwachsen und ihr Leben verbringen, denen fehlt ein Teil ihrer sozialen Persönlichkeit – das ist zumindest meine ganz persönliche Einschätzung.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Ich danke für Ihr Interesse an unserer Arbeit.