Schönheitskultur für Sulamith und Maria
Zwei junge Frauen sitzen beisammen, ganz dicht zusammengerückt. Ihre Köpfe berühren sich, die Hände haben sie ineinandergelegt: So sieht tiefe Freundschaft aus. Geschaffen hat das Bild der aus Lübeck stammende Maler Johann Friedrich Overbeck (1789 – 1869) 1811/12 in Rom. Er zeichnete die Frauen, Sulamith und Maria, für seinen Freund Franz Pforr (1788 –1812), nachdem beide vereinbart hatten, sich gegenseitig ein solches Freundschaftsbild zu malen. Pforr schuf ein Diptychon „Sulamith und Maria“ (1811, Schweinfurt, Museum Georg Schäfer) und auch Overbeck plante, seine Bildidee als Gemälde umzusetzen. Dazu kam es aber zunächst nicht. Nachdem Pforr bereits 1812 gestorben war, führte Overbeck das Bild nicht weiter aus. Erst 1828 vollendete er das Gemälde, das er dann „Italia und Germania“ betitelte. Es befindet sich heute in der Neuen Pinakothek in München.
Overbeck und Pforr hatten sich an der Wiener Akademie kennengelernt, sich mit anderen Studenten in einer Künstlervereinigung, dem Lukasbund, zusammengeschlossen und waren 1810 nach Rom gezogen. Hier im Kloster San Isidoro auf dem Monte Pincio entstand die Idee, mit den Figuren Sulamith und Maria die jeweiligen Kunstideale Overbecks und Pforrs, das Gegensätzliche und das Verbindende, darzustellen. In seiner großformatigen Zeichnung zeigt Overbeck Sulamith und Maria nahsichtig, fast als Ganzfiguren in einem durch zwei Pfeiler und einen Rundbogen angedeuteten loggiaartigen Raum. Sulamith ist links zu sehen und durch den Lorbeerkranz bezeichnet. Maria erscheint rechts mit einem Kranz aus Myrten im langen Haar. Dabei symbolisieren die beiden Frauen auch die „idealen Bräute“ der Künstlerfreunde. Die alttestamentarische und südlich wirkende Sulamith war Overbeck als dem „neuen Raffael“ zugedacht, die blonde Maria repräsentierte die altdeutsche, an Dürer erinnernde Kunst, der Franz Pforr nahestand. Overbeck zeigt jedoch keine bloße Gegenüberstellung verschiedener Kunstideale, sondern vielmehr deren Verbindung. Dies gelingt durch die emotionale Zugewandtheit der beiden Frauen. Sie schmiegen sich aneinander und Maria hat Sulamiths Linke zwischen ihre Hände genommen. Sie blickt sie an, während Sulamith mit gesenkten Lidern nach unten schaut. Beide sind sich freundschaftlich zugeneigt, wobei Maria Sulamith Trost und Halt zu spenden scheint.
Friedrich Overbecks Karton „Sulamith und Maria“ blieb auch nach Overbecks Tod in Rom. Von dort konnte er 1928 für die Lübecker Sammlung angekauft werden. Er ist als Sinnbild der Freundschaft das Schlüsselwerk romantischer Freundschaftsbilder.
Der Karton besteht aus 6 kleineren Bogen handgeschöpftem Papier, die überlappend geklebt, zu einem großen Zeichenkarton zusammengefügt worden sind. Leider wurde der Karton zur Rahmung vollflächig auf eine aus heutiger Sicht konservatorisch völlig ungeeignete Finnische Holzpappe geklebt, wahrscheinlich auch um diverse Risse in der Zeichnung zu schließen. Finnische Holzpappen bestehen nur aus Holzschliff, der sehr viel Lignin (Baumharz) enthält und auch nicht säurefrei ist. Aus dieser Pappe diffundierten mit der Zeit die Farbstoffe aus dem Lignin in das Papier und sind als unschöne Verbräunungen in unterschiedlicher Stärke auf der Darstellung zu sehen. Da das Papier an den Überlappungen dicker ist, heben sich diese sehr viel heller von ihrer Umgebung ab. Die Holzpappe stellt eine unmittelbare Bedrohung für das Kunstwerk dar und sollte dringend entfernt werden. Weitere Schäden – wie ein Wasserrand in der rechten oberen Ecke und die schon erwähnten Risse – könnten dann restauratorisch behandelt werden. Wenn der Karton, nach entsprechenden Tests, eine oberflächenschonende wässerige Behandlung verträgt, wäre es möglich auch die Farbstoffe aus dem Papier herauszulösen und der Karton hätte dann wieder eine harmonischere Optik und er wäre dauerhaft gesichert. Wir möchten daher Sie, liebe Arsprototo-Leserinnen und -Leser, herzlich um Ihre Unterstützung bitten, damit wir dieses bedeutende Freundschaftsbild wieder in unserer Sammlung zeigen können.