Schlittschuhläufer im Berliner Kupferstichkabinett
„Das Pastell dieses großen Berliner Künstlers, das eine Berliner Szene darstellt, ergänzt künftig die weltweit bedeutendste Menzel-Sammlung: in Berlin. Und die beherbergt bereits die einzige Vorstudie zu diesem Werk. Dass das Bild ins Kupferstichkabinett gehört, ist absolut klar und folgerichtig. Ich freue mich, dass Menzels ‚Schlittschuhläufer‘ nach so vielen Jahrzehnten schon bald wieder der Öffentlichkeit präsentiert wird“, erklärt Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.
Dargestellt ist eine Winterszene im Berliner Tiergarten, gegenüber dem heutigen Standort des Kupferstichkabinetts und nahe Menzels letztem Wohnsitz: Auf dem zugefrorenen Neuen See fahren Menschen zum Privatvergnügen auf Kufen über’s Eis – wohlhabende Bürger, wie an den Zylindern im Vordergrund unschwer erkennbar ist.
Das Bild gehört zu Menzels Frühwerk. Entstanden ist es unmittelbar im Nachgang seiner erster Frankreichreise: Im September 1855 war er auf der Weltausstellung in Paris von der dort ausgestellten zeitgenössischen Malerei inspiriert worden. Und so weist seine Komposition thematisch wie auch in der technischen Ausführung in die Moderne voraus: Das in der Mitte des 19.Jahrhunderts mit der wachsenden Bedeutung des Bürgertums aufkommende Bedürfnis nach Freizeitvergnügungen wie dem Schlittschuhlaufen ist kaum früher und meisterlicher dargestellt worden –„Die Schlittschuhläufer“ ist ein Dokument der prosperierenden bürgerlichen Gesellschaft nach der 1848er-Revolution.
Menzel führte das Werk unter Verwendung von schwarzer Kreide und verschiedenfarbiger Pastellkreide auf braunem Papier aus. Das Pastell war für Menzel die Brückentechnik zwischen Zeichnung und Malerei; und so spielen in seinem Œuvre Arbeiten mit Pastell zwischen Mitte der 1840er- und Ende der 1850er-Jahre eine zentrale Rolle. Einige Pastelle befinden sich zwar bereits in den umfangreichen Menzel-Beständen des Kupferstichkabinetts, doch keines von ihnen ist so monumental als „Gemälde auf Papier“ ausgeführt, wie das Bild „Die Schlittschuhläufer“.
Der Entstehungsprozess lässt sich nachvollziehen anhand einer Vorstudie: einer Seite im Hochformat in Menzels Skizzenbuch Nr. 14 von 1855. Das Skizzenbuch befindet sich, nebst mehr als 6.000 Werken in der umfangreichsten Sammlung von Zeichnungen Menzels – zum Teil in Skizzenbüchern – auch im Besitz des Berliner Kupferstichkabinetts.
Erstmalig waren Menzels „Schlittschuhläufer“ 1955 in der ersten westdeutschen Menzel-Ausstellung in Berlin öffentlich gezeigt worden. Der damalige Leihgeber, der Luzerner Kunsthändler Julius Wilhelm Boehler, hatte das Blatt vor 1930 aus der Sammlung Wertheim erworben und kurz nach der Ausstellung in Berlin im Stuttgarter Kunstkabinett R. N. Ketterer eingeliefert, wo es die Familie des letzten Eigentümers erwarb. Dass sich das Pastell durchgehend in Privatbesitz befand und auch nicht Teil der von Hugo von Tschudi 1905 organisierten großen Menzel-Retrospektive in Berlin war, ist der Grund dafür, dass es führenden Menzel-Expertinnen und -Experten bis vor kurzem unbekannt war. Am 30. Mai 2018 erhielt schließlich das Kupferstichkabinett auf der Frühjahrsauktion der Villa Grisebach den Zuschlag.
Nach der Restaurierung einer Fehlstelle wird das Pastell nun gerahmt und noch in diesem Jahr in zwei Sonderausstellungen im Kupferstichkabinett am Kulturforum zu sehen sein: „In bester Gesellschaft. Ausgewählte Erwerbungen 2009–2019“ (ab dem 13. April 2019) und „Menzel. Maler auf Papier“ (20. September bis Anfang Januar 2020).
Weitere Förderer dieser Erwerbung: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Ernst von Siemens Kunststiftung, Rudolf-August Oetker-Stiftung.