Rückkehr der Goldpokale
Das Land Niedersachsen hat in einer konzertierten Finanzierungsaktion der Kulturstiftung der Länder und vieler weiterer Förderer drei herausragende vergoldete Silberpokale des 17. Jahrhunderts aus dem einstigen Besitz des Herzogs Georg Wilhelm von Lüneburg-Celle erworben. Trotz heftiger Bietergefechte internationaler Interessenten ist es damit gelungen, die drei Spitzenstücke der insgesamt 14-teiligen ehemaligen Pokalsammlung aus dem Welfenhaus auf der Auktion der Sammlung von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé am 24.2.2009 im Pariser Grand Palais für Deutschland zu sichern.
„Mit der Ersteigerung aus dem Yves Saint Laurent Nachlass ist uns ein großer Erfolg gelungen. Wir sind stolz darauf, dass wir die wichtigsten und qualitätvollsten Pokale nach Niedersachsen holen können!“, sagte der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz Stratmann.
300 Jahre nachdem diese Meisterwerke norddeutscher Goldschmiedekunst Celle verließen, kehren sie nun in das Residenzschloss zurück, wo sie nachweislich bis 1705 zum Inventar gehörten, bis sie später nach Hannover und dann, wohl im 19. Jahrhundert, ins Ausland gelangten. Mit der Ersteigerung konnten die Hauptwerke eines bedeutenden und stilistisch weitgehend homogenen Komplexes aus einer der ältesten und wichtigsten Residenzen des Welfenhauses für die Öffentlichkeit erworben werden. Bis 2012 werden alle drei Pokale im Residenzmuseum Celle zu sehen sein. Im Anschluss werden sie zu Teilen in der Präsentation des dann sanierten und neugestalteten Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig sowie im Residenzmuseum Celle ihren festen Platz finden. Für herausragende Sonderausstellungen werden alle drei Pokale als Leihgaben vereint präsentiert.
An der Erwerbung beteiligen sich, neben dem großen Engagement des Landes Niedersachsen und der Kulturstiftung der Länder, überregionale und regionale Stiftungen und Finanziers: der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien mit Mitteln des Bundes, die Ernst von Siemens Kunststiftung (die überdies auch Mittel zur Vorfinanzierung bereitstellte), die Stiftung Niedersachsen, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, die Stadt Celle, die Rudolf-August Oetker Stiftung, die VGH-Stiftung sowie die Celler Mäzenin Lieselotte Tansey.
Im Zuge der vermehrten Souveränität deutscher Fürsten nach dem Westfälischen Frieden entstanden in den Paraderäumen der Residenzschlösser prachtvolle Präsentationen kunstvoller Silber- und Goldobjekte, gegenüber anderen Herrscherhäusern wurde damit auch die eigene Ebenbürtigkeit demonstriert. Bei allen nun erworbenen Pokalen handelt es sich um Huldigungsgeschenke verschiedener regionaler Ämter und Städte an Herzog Georg Wilhelm (Losnummern 201 und 207) sowie seinen Vorgänger, den Celler Herzog Christian Ludwig (Losnummer 210), nachvollziehbar durch gravierte Inschriften und Wappen.
Ersteigert wurden:
Losnummer 201, ein monumentaler und reichverzierter Buckelpokal des Lüneburger Meisters Nicolas Siemens von 1645, der aufgrund seiner Höhe von 1,13 Metern zu den weltweit größten und bedeutendsten Goldschmiedearbeiten dieser Art zählt. Dieser Riesenpokal, ein sogenannter Akelei-Pokal mit Vasenaufsatz, gelangte als selbstbewusstes Huldigungsgeschenk der Stadt Lüneburg, die auf eine blühende Tradition des Goldschmiedehandwerks zurückblicken konnte, in den Besitz des Herzogs Georg Wilhelm. Allein in der Rüstkammer des Moskauer Kremls haben sich vergleichbare Pokale erhalten, als Gesandtengeschenke der Könige von Schweden und Polen.
Losnummer 207, ein sogenannter „Tischbrunnen“ des Hamburger Meisters Evert Kettwyck, um 1630, als Geschenk des Amtes Bodenteich nach Celle gelangt.
Dieses Trinkspiel verfügt über einen ausgefallenen Entleerungsmechanismus zur Erheiterung der Tischgesellschaft: Der Pokalinhalt kann mittels eines Saugmechanismus aus den Brüsten der vier dargestellten Verkörperungen der Elemente über die darunter befindlichen Muscheln versprüht werden. Von diesem raren Typus des Tischbrunnens haben sich nur zwei weitere erhalten: einer im Kopenhagener Schloss Rosenborg und ein weiterer im Kreml, ein Geschenk an Zar Alexej Michailowitsch im Jahr 1662. Der Tischbrunnen des stets mit ausgeprägt plastischen Elementen arbeitenden Hamburger Goldschmieds Evert Kettwyck, der einzig mit dem gut doppelt so großen Tischbrunnen des ebenfalls in Hamburg tätigen Goldschmieds Peter Ohr d. Ä. in der Rüstkammer des Moskauer Kreml zu vergleichen ist, zählt zu den Hauptwerken der Hamburger Goldschmiedekunst des Frühbarock.
Losnummer 210, ein hochbedeutender, vierfacher Traubenpokal aus Osterode, geschaffen vom Meister Christoph Uder im Jahr 1649, ein Huldigungsgeschenk des Amtes Osterode an den Celler Herzog Christian Ludwig.
Dieser reichverzierte und ungewöhnlich virtuos gearbeitete Traubenpokal kann als signifikantes Beispiel der Übernahme einer Nürnberger Pokalform durch einen norddeutschen Goldschmied gelten. Der Typus ist in einem Pokal des Nürnberger Goldschmieds Andreas Michael von circa 1620 vorgebildet, auch die den Schaft umstehende Gruppe von Adam und Eva könnte durch Nürnberger Beispiele angeregt sein. Von großer Bedeutung ist hier auch die Kaltbemalung – vor allem an den bekrönenden Blumensträußchen.