Rettung für Retabel

Jahrhundertelang schauten die Gläubigen gottesfürchtig zu ihm hinauf, bestaunten seine golden schimmernden Schnitzereien und beteten zur Heilsgeschichte – verewigt in meisterhaften Malereien der Dürer-Zeit: Der Hochaltar im Chor der Kirche St. Gertrudis im Saalfelder Ortsteil Graba zählt – nicht nur in Thüringen – zu den bedeutendsten Schnitz- und Altarwerken der Spätgotik.

Die drohende Zerlegung des Altars konnte nun nach langen Verhandlungen mit dem Herzoghaus Sachsen-Meinigen unter der Federführung der Kulturstiftung der Länder abgewendet werden: Denn die Seitenflügel des Wandelretabels gelangten 1865 in den Besitz von Herzog Georg II. Ab 1939 als Dauerleihgabe des Hauses wieder mit dem Hauptschrein vereint, wurden die Teile im Zuge der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone enteignet. Auf Grundlage des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG) wurden die Flügel 2010 dem Herzoghaus rückübertragen, wobei der Kirchengemeinde Saalfeld-Graba ein unentgeltliches öffentliches Nießbrauchsrecht an den Objekten bis Ende November 2014 eingeräumt wurde. Durch gütliche Einigung mit den Erben des Hauses Sachsen-Meiningen sind die kostbaren Tafeln nun dauerhaft für die St. Gertrudiskirche gesichert. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, dem Freistaat Thüringen und vieler privater Spenden aus der Kirchengemeinde Saalfeld-Graba kann das 2011 ins „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ aufgenommene Ensemble damit unauflöslich bewahrt werden.

Dominant wächst der Altar mit filigran gewirkter Predella mit fast sieben Metern Höhe bis in das Gewölbe des Kirchenchors; beeindruckend ist auch die künstlerische Gestaltung des ab 1510 eigens für die Kirche im Auftrag des Benediktiner-Abtes Georg von Thüna entstandenen Wandelretabels: Die Alltagsseite des Altars – bei geschlossenen Flügeln – schmücken von Dürer inspirierte Malereien eines noch anonymen mitteldeutschen Meisters, der Darstellungen der Marienkrönung und der Messe des Hl. Gregor mit feiner Pinselführung auf Holztafeln verewigte. Die Festtagsseite der Flügel – bei geöffnetem Zustand des Schreins – zieren hingegen Skulpturen der Heiligen Sebastian und Jakobus sowie Katharina und Barbara. Die unter filigranem Schleierwerk ruhenden, in Gold gewandeten Figuren sind ein Werk des Bildschnitzers Hans Gottwald von Lohr (ca. 1480–1550), einem Schüler Tilman Riemenschneiders. Der Schnitzaltar der Kirchengemeinde Saalfeld-Graba zeugt fortan dauerhaft vom hohen Niveau der spätgotischen Altarkunst in Thüringen.