Der prachtvolle Gitterschrank mit heraldischem Dekor und der Devise Herzog August Wilhelms von Braunschweig-Wolfenbüttel (1662 – 1731), der hier in den Fokus rücken darf, steht als pars pro toto einer in Anzahl und künstlerischem Aufwand einzigartigen Serie höfischer Möbel. August Wilhelm hatte um 1725 zehn solcher Vitrinenschränke „von nußbaumen holtze mit metallenen verguldeten gitterwerck“ zur Ausstattung des neuen Braunschweiger Residenzschlosses, des sog. Grauen Hofs, in Auftrag gegeben. Sie fanden in dem bedeutendsten und größten der Sammlungsräume Aufstellung, der Großen Galerie, die zu den repräsentativen Gemächern des Südflügels zählte. Gäste, seien es Personen von hohem Stand oder auch Bittsteller, konnten bzw. sollten neben Herrschaftsräumen des regierenden Fürsten auch einen Eindruck von August Wilhelms Reichtum und erlesenem Geschmack gewinnen. Seine Sammelleidenschaft galt Pretiosen, kostbaren kleinen Werken aus Elfenbein, Edelsteinen, Perlen, Muscheln, Gold oder Silber. Zur sicheren und relativ staubfreien Aufbewahrung dienten die genannten Vitrinenschränke, von denen sich vier im Herzog Anton Ulrich-Museum erhalten haben. Die Möbel wurden wie auch andere prächtige Ausstattungstücke des Grauen Hofs in Braunschweig gefertigt und dokumentieren den hohen Stand des örtlichen Tischlerhandwerks, das seinerseits von der Förderung der kunstsinnigen Herzöge Anton Ulrich (1633 – 1714), August Wilhelm und Carl I. (1713 – 1780) profitierte. Die Schränke setzen sich aus einem Sockelgeschoss und einem sich verjüngenden Aufsatz zusammen. Der Korpus ist mit Edelhölzern furniert. Der Großteil der Flächen ist, wie typisch für hochwertige Braunschweiger Möbel, mit Nussbaum belegt. Mit Esche werden helle, mit Palisander oder gefärbtem Obstholz dunkle Akzente im Ornament gesetzt. Die Kapitelle der seitlichen Pilaster sowie der Akanthusschmuck der Füße werden durch eine Vergoldung hervorgehoben. Die Türen der Vorderseiten sind durch die bereits erwähnten reich verzierten, vergoldeten Messinggitter durchbrochen, die einen Blick ins Innere erlauben. Öffnet man die Gittertür, so sind die Pretiosen gut zu sehen und bleiben dennoch durch eine Glasscheibe geschützt. Dank der rückseitigen Verspiegelung im Innern, die sich im Original erhalten hat, können sie in ganzer Pracht betrachtet werden. Zugleich wird die Illusion größerer Fülle geschaffen.
Um den ausgewählten Schrank angemessen und dauerhaft auszustellen, sind die Ergänzung von Fehlstellen, die Aufarbeitung der stark versehrten vergoldeten Oberflächen sowie die Reinigung der Messinggitter notwendig.
Das jüngst entdeckte Pretioseninventar von 1731 beschreibt recht genau, welche Kunstwerke die Sammlungsschränke ursprünglich bargen. Eine grobe Systematik lässt sich in der Konzentration von gleichen oder verwandten Objektarten bzw. in der Gliederung nach Materialien erkennen, die damit die typische Ordnung von Schatz- und Kunstkammern der Renaissance zitiert. Eine Reihe derzeit deponierter Elfenbeinarbeiten sowie Kostbarkeiten aus Silberfiligran und Bernstein lassen sich in dem genannten Inventar identifizieren und könnten den Besuchern wieder in ihrer spätbarocken Präsentationsweise vor verspiegeltem Hintergrund zugänglich gemacht werden. Doch zuvor wartet das Möbel darauf, einer restauratorischen Maßnahme unterzogen zu werden. Wir bitten Sie, liebe Leserinnen und Leser von Arsprototo, herzlich um ihre Mithilfe, so dass einer der außergewöhnlichen Sammlungsschränke hoffentlich bald frisch restauriert und in seiner ursprünglichen Funktion – mit Kostbarkeiten Augusts Wilhelms versehen – in der Dauerausstellung des Museums gezeigt werden kann.
Dr. Martina Minning ist Leiterin der Abteilung Angewandte Kunst des Herzog Anton Ulrich-Museums.
Herzog Anton Ulrich-Museum, Kunstmuseum der 3Landesmuseen Braunschweig
Museumstraße 1, 38100 Braunschweig
Telefon 0531 - 12252424
www.3landesmuseen-braunschweig.de
Wir bitten Sie, liebe Leserin und lieber Leser, um Unterstützung für das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig. Spenden Sie für die Restaurierung des höfischen Gitterschranks und überweisen Sie unter dem Stichwort „Sammlungsschrank“ auf das Konto des Museums.
Zahlungsempfänger: Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig
IBAN: DE51 2505 0000 0106 0370 54
BIC: NOLADE2HXXX
Verwendungszweck: KTR 10200 (Möbel), Sammlungsschrank