Beschreibung
Jahrzehntelang in Privatbesitz, sind nunmehr glücklich die bislang vollkommen unbekannten Handschriften zu Richard Wagners komischer Oper Männerlist größer als Frauenlist oder die glückliche Bärenfamilie aufgetaucht. Der Skizzenfund zu der Fragment gebliebenen Jugendoper schließt eine Lücke im autobiographischen Bestand von Wagners Frühwerk und ist daher von großem wissenschaftlichen Interesse.Das Konvolut umfaßt den Prosa-Entwurf und musikalische Einzelskizzen, sowie Handschriften aus allen Phasen der Entstehung. Die unzusammenhängende Seitennumerierung des Prosa- und des Kompositionsentwurfs legt den Schluß nahe, daß die Handschriften ursprünglich zu einem einzigen umfangreichen Konvolut anderer Wagner-Handschriften gehörten. Die Blattzahlen des Kompositionsentwurfs fügen sich glatt in die Reihe jener anderen erhaltenen Wagner-Handschriften ein. Es besteht die Vermutung, daß dieses Konvolut Teil des Wagnerschen Besitzes war, den er 1849 bei seiner Flucht in Dresden zurückließ.Laut Wagners Mitteilung An meine Freunde (1851) entstanden Textbuch und die ersten zwei Nummern der Musik in Riga. Wagner entsprach mit dem Sujet des leichten Genres der Vorliebe des Rigaer Theaterdirektors Karl v. Holtei. Seine abweichende Darstellung in Mein Leben, nach der Text und Musik auf den Winter 1836/37 in Königsberg zu datieren sind, ist wohl auf die beabsichtigte Distanzierung Wagners von dem Werk zurückzuführen. Sie wird durch den vorliegenden Fund widerlegt.Den Stoff zu der Erzählung Männerlist größer als Frauenlist entnahm Wagner aus Tausendundeiner Nacht (194. Nacht). In der Vorlage gibt sich die schöne Heldin als Tochter des Großkadi aus, die aus Unmut über die Inschrift über dem Laden eines jungen Kaufmanns Es gibt keine List außer Männerlist; denn sie übertrifft noch die List der Frauen eine List ersinnt, um ihren Gegenspieler der wahren Tochter des Großkadi zu vermählen, der er erliegt. Wagner verlegt die Handlung aus Bagdad in die Gegenwart und nach Deutschland. Anders als der würdige orientalische Großkadi ist der ihm nachgebildete Freiherr Remilius Cäsar Balthasar v. Abendthau und seine Sippe eine Vergegenwärtigung der satirischen Adelskritik des jungen Deutschland.Im Gegensatz zur Vorlage obsiegt in Wagners Oper nicht die Frauenlist, sondern es gelingt dem Jüngling, die aufgedrängte Braut abzuschütteln und die listige schöne Leontine zu gewinnen.Wagner entwirft hier zum ersten Mal ein echtes Singspiel, in dem gesungene und gesprochene Szenen miteinander abwechseln. Es ist bemerkenswert, daß das Werk über der Komposition eines Ensemblesatzes abgebrochen wurde, der obgleich Grundbestand der Oper seit Mozart im späteren Wagnerschen Musikdrama kaum noch eine Rolle spielt. So steht das Werk im Schaffen Wagners am Wendepunkt zwischen der traditionellen Karriere eines opernkomponierenden Kapellmeisters und der Utopie eines neuen Musiktheaters.Das Konvolut konnte durch die Kulturstiftung der Länder für das Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth erworben werden.