Beschreibung
In Vorausahnung seines nahenden Todes hat er sich zu einem letzten Gebet zurückgezogen: Am Fuße des Ölbergs sucht Jesus Christus in seiner größten Not – umgeben von den schlafenden Jüngern – Unterstützung bei Gott. Doch die herbeistürmenden Häscher im Hintergrund besiegeln bereits sein unausweichliches Schicksal. Ausgehend von der Szene im Garten von Gethsemane entfaltet Hans Holbein d. Ä. auf insgesamt zwölf Tafeln den Leidensweg Christi. Um 1500 entstanden, bildeten die auf Fichtenholz gemalten Szenen der „Grauen Passion“ ursprünglich die Innen- und Außenflügel eines Altarretabels, dessen Mittelstück – vermutlich mit einer Kreuzigungsszene – verloren gegangen ist.
Ohne Zweifel handelt es sich bei dem eindringlichen Passionszyklus von Hans Holbein d. Ä. um ein Glanzstück altdeutscher Tafelmalerei, das durch den reduzierten Bildaufbau, die sorgfältige Regieführung der Akteure und ihre Anordnung im Raum besticht. Doch nicht zuletzt die einmalige Dramaturgie der Farben zeichnet das Meisterwerk des Augsburger Malers aus: So bediente sich Holbein der speziellen Technik der Halb-Grisaille und tauchte die Gewänder der Akteure in monochromes Kolorit. Während auf den Tafeln der Außenflügel das namensgebende Grau dominiert, sind die Tafeln der Innenflügel – also der Festtagsseite – in hellem Ocker gehalten. Umso kräftiger heben sich das Inkarnat und die wenigen intensiv leuchtenden Farbpartikel wie Grün, Gold und Rot vom dunklen Hintergrund ab. Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation komponierte Hans Holbein so eine herausragende Passionsfolge von hoher künstlerischer Qualität.
2003 ist es der Staatsgalerie Stuttgart mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder gelungen, dieses national wertvolle Kulturgut für die Öffentlichkeit zu sichern. Holbeins Meisterwerk bereichert seitdem die bedeutenden Museumsbestände altschwäbischer Tafelmalerei. Mit der unmittelbar im Anschluss erfolgten Restaurierung der Tafeln und der ebenfalls von der Kulturstiftung der Länder geförderten Ausstellung „Hans Holbein d. Ä.: Die Graue Passion in ihrer Zeit“ im Jahr 2010 brachte die Staatsgalerie Stuttgart darüber hinaus ihr kulturelles Verantwortungsbewusstsein für dieses bewahrungswürdige Zeugnis nationaler Kunst- und Kulturgeschichte auf vorbildliche Weise zum Ausdruck.