Beschreibung
Die große illuminierte Bibelhandschrift des frühen 14.Jahrhunderts enthält in lateinischer Sprache den gesamten Vulgatext des Alten und Neuen Testaments einschließlich der Prologe. Die Pergamenthandschrift umfaßt 421 Blätter mit über 90 Miniaturen. Sie stellt ein eindrucksvolles Zeugnis mittelalterlicher Bibelüberlieferung und zugleich ein ganz besonderes Denkmal gotischer Buchmalerei aus dem Nordwesten Deutschlands dar.Die Herkunft der Bibel verweist auf den Kölner Raum, wahrscheinlich auf Soest in Westfalen. Die Handschrift steht in den gestalterischen Mitteln zwei Antiphonaren aus dem ehemaligen Kloster Paradies bei Soest so nahe, daß sie wohl aus derselben Werkstatt stammt. Durch stilistische Vergleiche kann man für die Soester Bibel eine Entstehung um 1300 ansetzen. Soest war in dieser Zeit neben Dortmund die bedeutendste Handelsstadt in Westfalen. Für die Ausstattung ihrer zahlreichen Klöster bezog die reiche Hansestadt nicht nur Bücher aus Köln, dem Erzbistum, dem es bis 1444 unterstellt war, sondern konnte auch auf lokale künstlerische Kräfte zurückgreifen. Ob in dem 1252 gegründeten Dominikanerinnenkloster Paradies eine Buchmalerwerkstatt tätig war läßt sich nicht nachweisen, wohl aber bestand im 14.Jahrhundert in dem Kloster ein Skriptorium. Verglichen mit dem aus dieser Zeit stammenden Bibeln Pariser Werkstätten, die dort in großer Zahl in ziemlich standardisierter Form herausgebracht wurden, weist der individuelle Charakter der Soester Bibel auf eine klösterliche Werkstatt und auf einen speziellen Auftrag hin. Die Ausstattung mit zahlreichen, großen historisierten Initialen und detailliert ausgeführten Miniaturen ist für eine Bibel recht aufwendig. Die Bildfelder der Initialen bieten Raum für mehrfigurige Darstellungen. Die leicht gedrungene Figurenmalerei entspricht noch dem Typus des 13.Jahrhunderts, die lebhafte Buntfarbigkeit hat einen warmen Grundton. Die vielen floralen Initialen sind variationsreich gestaltet und werden zum Teil von Drachen und anderen Tieren bewohnt. Im ganzen können mindestens zwei Maler von einander unterschieden werden, wobei der zweite wahrscheinlich Schüler des ersten, des Hauptmalers war. Die Figurenmalerei zeigt teilweise in der Komposition für die Zeit erstaunliche Effekte. Bei den modisch gekleideten Figuren fließen Beobachtungen aus dem profanen Bereich ein. Die prachtvoll und individuell gestaltete Bibel bietet einen guten Einblick in die westfälische Buchkunst um 1300, einer Epoche, in der noch manche Forschungslücke zu schließen ist. Die Soester Bibel kann in ihrer Vielseitigkeit und künstlerischen Qualität helfen, das Bild abzurunden und zu erweitern, zumal sie der kunsthistorischen Forschung bisher nicht bekannt war. Sowohl für die weitere wissenschaftlich Bearbeitung wie für die Bewahrung der Handschrift ist die Universitätsbibliothek Münster der geeignete Ort.Die Finanzierung gelang mit den Mitteln der Kulturstiftung der Länder, dem Bundesministerium des Innern, dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung Nordrhein-Westfalen, dem Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport Nordrhein-Westfalen, der Universität Münster, der Krupp-Stiftung und der Stiftung Kunst und Kultur Nordrhein-Westfalen.