Beschreibung
Sein Leben lang hat sich Pablo Picasso (1881-1973) mit den Werken der Vergangenheit künstlerisch auseinandergesetzt. Gerade das Spätwerk belegt auf eindrucksvolle Weise, wie dieser Titan der Moderne die Kunstgeschichte als ein unerschöpfliches Reservoire der Inspiration zu nutzen verstand und die Vorbilder in immer neuen Paraphrasen analysierte. Zu den von Picasso besonders geschätzten Meistern gehörte auch Lukas Cranach d. Ä., den er als größten deutschen Maler überhaupt bezeichnete und geradezu emphatisch lobte: „Ja, und was für ein Zeichner! Man spricht immer von Raphaels Zeichnungen. Dieser hier ist besser!“ Fasziniert war Picasso jedoch nicht allein von der streng stilisierten Liniensprache und der naiv anmutenden Ausdrucksqualität der Bilder, sondern ebenso von der kühlen Sinnlichkeit der Cranachschen Frauen.
Auch das 1526 entstandene Gemälde „David und Bathseba“ fesselte ihn offenbar wegen seines erotischen Gehalts und der hieratischen Frauenfiguren, die wie steife Puppen agieren. Freilich hatte Picasso das Berliner Original nie zu Gesicht bekommen, wie ihm ohnehin simple Postkarten oder Katalogabbildungen als Ausgangsbasis zumeist genügten. Das Bild steht am Beginn einer Folge von insgesamt vierzehn Lithographien, die zu den beeindruckendsten Beispielen von Picassos Beschäftigung mit dem Werk des sächsischen Hofmalers zählen und als Sequenz die Experimentierfreude des Künstlers eindrucksvoll demonstrieren. Über zwei Jahre, zwischen 1947 und 1949, nahm sich Picasso die Lithoplatte wiederholt vor und gelangte zu immer neuen Interpretationen wie dem besonders radikalen 4. Zustand vom März 1947, bei der die Fläche komplett geschwärzt ist und nur ein Gespinst weißer Linien die Darstellung überhaupt lesbar macht.